Andreas Franz: Kaltes Blut

Hörbuch, Deutschland 2013, audio Media Verlag

gelesen von Julia Fischer (gekürzte Lesung)

6 CDs, 458 Minuten

Vom vorgeschalteten Prolog weiß der Leser, dass es schon vor der eigentlichen Handlung einen Mord und eine Leiche im See gegeben hat. Dann schwenkt die Handlung auf einen Pferdehof in der Nähe von Frankfurt, wo neben den Erwachsenen eine Gruppe von 14-15-Jährigen Mädchen eine Rolle spielt. Gemeinsame Ferienaufenthalte in der Camargue gehören mit zum Programm, und dass dort Dinge geschehen sind, die nicht zu jungen Mädchen passen wollen, ahnt man zunächst mehr, als dass man es weiß, auch nicht, wer beteiligt ist und was da vorgeht, aber: Das Leben ist bekanntlich kein Ponyhof!

Die Sicht des Mörders –“er“ wird er immer genannt – kennt der Hörer schon aus dem Prolog, und von daher weiß man, dass sich der Stil des Erzählens deutlich ändert, wenn von ihm berichtet wird, es ist die Innensicht eines kranken Gehirns, könnte man sagen, und der Autor Andreas Franz tut alles, um die ans Widerliche grenzenden Handlungen und Gedanken des Mörders vor uns auszubreiten. Es soll wohl einen Kontrapunkt zur sonstigen Handlungsführung bringen, wirkt aber zuweilen doch eher befremdlich: So genau will man es gar nicht unbedingt wissen.

Nun wird aber erst einmal Selina, eines der jungen Mädchen, entführt, der Mörder hat in seinem Haus im Keller einen Raum, zu dem nur er Zugang hat. Dort hält er sie nackt und gefesselt und gibt sich seinen Phantasien hin, schwafelt von Reinheit und Unschuld, wenn er „seinen Engel“ betrachtet.

Mittlerweile ist die Kriminalpolizei eingeschaltet, Oberkommissarin Julia Durant, von früheren Andreas-Franz-Romanen eine bekannte und durchaus sympathische Figur, übernimmt mit ihrem Kollegen die Ermittlungen. Diese führen aber noch nicht zum Ziel, es gilt, einige Nebengleise zu betreten: So kommt heraus, dass der angesehene Arzt Dr. Gerber, Ehemann der Pferdehofbesitzerin, ein Verhältnis mit dem entführten Mädchen Selina hatte, und dass sie von ihm schwanger war – aber dass er nicht der Mörder ist, kann hier schon verraten werden! Dann taucht noch ein ehemaliger Stallknecht des Hofes auf, der dort vor Jahren eine Vergewaltigung verübt haben soll. Indem er selber ein neues Opfer des Mörders wird, kann er es auch nicht gewesen sein.

Bis zur Aufklärung der Morde müssen noch weitere Beteiligte ihr Leben lassen. Wer es gewesen ist, wird nicht verraten, aber zum Motiv noch soviel: Es hängt indirekt mit den lesbischen Aktivitäten auf dem Pferdehof zusammen, man glaubt es kaum, wie und dass sich die 40-jährigen Damen an die jungen Mädchen herangemacht haben. Die Oberlesbe Helena wird so beschrieben, jetzt wörtlich: „schmale, blutleere Lippen, hohe Wangenknochen, kleine stechende Augen“, dazu „ausladende Hüften und stämmige Oberschenkel“ – jetzt weiß der geneigte Hörer Bescheid!

Das Hörbuch hinterlässt einen durchaus zwiespältigen Eindruck. Es ist auf der einen Seite ein klassischer Krimi mit einer engagierten, netten Kommissarin, die Polizeiarbeit einschließlich Profiler usw. kommt nicht zu kurz, die Erzählweise ist durchaus stringent, teilweise spannend. Dann gibt es auf der anderen Seite arge Klischees wie die oben erwähnten, und die Gedankenwelt des Mörders in der gezeigten Penetranz zu bieten, ist zumindest nicht des Rezensenten Herzenswunsch.

Ein ausdrückliches Lob hier noch der Sprecherin Julia Fischer: Sie versteht es gut, den verschiedenen Akteuren eine Stimme zu geben. Ein Großteil des Hörbuchs ist wörtliche Rede der Beteiligten, und das gibt die Sprecherin mit ihrer angenehmen Stimme immer gut wieder.

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