Kallentoft und Lutteman: Der Schrei des Engels

OT: Heroine, Schweden 2017, D 2019, Tropen Verlag

Es wird nie aufhören, hier zu brennen. Selbst, wenn wir jedes brennende Auto löschen, wird der Hass weiterlodern, bis alles vernichtet ist. Wie löscht man ein solches Feuer?

Copyright: Tropen Verlag

Die Sozialarbeiterin Helene, genannt Heroine, wird in einem sozialen Brennpunkt Stockholms von vier Männern brutal vergewaltigt und geschlagen. Als sie nach der Vergewaltigung allein und gefesselt in einem Kellerraum liegt, kommen zwei Jugendliche, doch statt ihr zu helfen, demütigen sie die Frau und stellen ein Video davon ins Netz. Dies kommt ziemlich schnell bei der Polizei an, doch zunächst ist man hilflos. Der Stadtteil Stallhagen ist schon lange Sperrgebiet, niemand traut sich dort herein. Die Polizisten, die zunächst zur Erkundung geschickt werden, werden sofort angegriffen und der Streifenwagen zerstört. Da wird Zack Herry, ein Sonderermittler der Polizei, der undercover arbeiten kann, losgeschickt, um Helene zu finden und wenn möglich zu retten. Unterstützung bekommt er dabei von seiner Kollegin Deniz, die aber noch an Folgen einer Schussverletzung laboriert. Die Suche führt die beiden tief in die Geheimnisse dieses Brennpunkts. Dort geht es um Geld, Macht, Drogen, die schwedischen Gesetze sind längst außer Kraft. Das Sagen hat offensichtlich Augeas Longfellow ein Albino-Nigerianer, der Zack ein Ultimatum stellt. Er gibt ihm 24 Stunden, um die Frau zu finden, dann muss er verschwinden. Und er muss allein arbeiten. Der Druck ist gewaltig, die Aufgabe ebenso.

Der Krimi ist ein Teil einer Serie, die ich noch nie gelesen habe. Man versteht die Zusammenhänge trotzdem schnell.

Der Thriller hat eine apokalyptische Atmosphäre. Er ist unglaublich brutal und hoffnungslos, ein regelrechtes Endzeitdrama. Schon der Anfang hätte mich fast dazu gebracht, das Buch direkt wieder wegzulegen. Man hat als Leser gar keine Zeit, sich ein wenig zu orientieren, sofort ist man in der absoluten Katastrophe. Zudem hatte ich in den ersten Seiten das Gefühl, dass, wenn man ein Pamphlet gegen Flüchtlinge und Einwanderung hätte schreiben wollen, man hätte es nicht besser machen können. Ich war ziemlich sauer deswegen, denn ich war mich nicht sicher, ob das nicht die Aussage des Buches sein sollte. Im Laufe der Zeit relativiert sich dieser Eindruck jedoch. Es geht sicher um kriminelle Flüchtlinge, aber nicht nur solche, und ebenso um die schwedische Flüchtlingspolitik und die Fehler, die dort, genau wie bei uns gemacht wurden. Die Hilflosigkeit, mit der man manchmal vor einem Menschen steht, der voller Hass ist, egal von wo er kommt, begegnet dem Leser auf jeder Seite.

Die Geschichte ist eine einzige Hetzjagd. Die beiden Ermittler werden von Pontius zu Pilatus geschickt und geraten von einer Schwierigkeit in die nächste. Zack Herry ist nicht der typische (unschuldige) Held. Auch er ist gewalttätig und tut im Zuge seiner Suche nach Heroine manches, was absolut schrecklich ist. Ein ziemlich vielschichtiger Charakter. Ich weiß nicht, was Stall im Schwedischen bedeutet, doch hier ließ mich die Kombination des Stadtteilnamens und dem Namen Augeas Longfellow sofort an Herkules und sein Ausmisten des Augiasstalls denken. Keine Ahnung, ob das so beabsichtigt war, aber der Vergleich passt bestens.

Für Thrillerliebhaber, die es gern spannend und actionreich haben, das richtige Buch. Für Leute, die Brutaliät nicht mögen, wird die Lektüre recht anstrengend werden.

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