OT: The Wreckage, GB 2011, D 2012, Goldmann Verlag
Dieses Buch ist ein ganz anderes Kaliber als die letzten, die ich hier besprochen habe. Nicht nur das, es ist auch ganz anders als die anderen des gleichen Autors (siehe Adrenalin und Amnesie).
Es spielt – zumindest im ersten Teil – an zwei Hauptschauplätzen, im Irak und in London. Im Irak kommt der Journalist Luca Terracini, der eigentlich wegen einiger Banküberfälle ermittelt, mit Hilfe von Daniela Garner, die im Auftrag der UNO-Rechnungsstelle eine Buchprüfung im Irak durchführen soll, einer gigantischen Abzocke an Wiederaufbauhilfe auf die Spur, bei der Millionen an Dollars einfach im Wüstensand versickert sind. Bei der Verfolgung dieser Spur geraten sie in höchste Gefahr. Danielas Kollegen werden ermordet, der Journalist landet im Gefängnis und wird ausgewiesen (worüber er meiner Meinung nach ziemlich froh sein kann). Da die Spur des Geldes nach London führt, machen Terracini und Garner sich auf den Weg dorthin.
Währenddessen hat Ex-Chefinspektor Vincent Ruiz in London ganz andere Probleme. Als „edler Ritter“ hilft er einer jungen Frau, Holly Knight, die von ihrem Freund verprügelt wurde, aus der Bredouille und nimmt sie mit nach Hause, damit sie in Sicherheit ist. Doch als er aufwacht, muss er feststellen, dass er reingefallen ist und ausgeraubt wurde. Das lässt ihm keine Ruhe. Bei seinem Versuch, das Mädchen aufzustöbern, fällt er über die übel zugerichtete Leiche ihres Freundes. Plötzlich ist er auf der Flucht, zusammen mit Holly. Leider haben sie beide keine Ahnung, worum es eigentlich geht. Erst als sie auf Terracini und Garner treffen, ergeben sich die Zusammenhänge. Und sie merken, dass sie mächtige Feinde haben.
Wenn es sich auch nicht so einfach liest, wie die anderen Bücher von Michael Robotham, ist es dennoch sehr spannend und teilweise sehr beängstigend. Als wohlgenährter Mitteleuropäer, der von Gesetzen und Verordnungen geschützt wird (wenn sie manchmal auch noch so nerven) kann man sich kaum vorstellen, wie es ist, in einem Land zu leben, in dem man täglich sterben kann, es keine Sicherheit gibt und man der Willkür der Mächtigen schutzlos ausgeliefert ist. Auch die politische Komponente des Romans ist nicht uninteressant. Beim Wiederaufbau des Iraks sind große Geldmengen bei Beamten und Würdenträgern hängengeblieben, ohne dort anzukommen, wo sie wirklich gebraucht werden. Aber das kommt praktisch bei jeder Hilfemaßnahme vor. Traurig genug!
Ganz interessant für den Robotham-Fan ist es auch, dass die Hauptfigur dieses Mal nicht der Psychologe Joe O‘Loughlin ist, sondern Ruiz. So vermeidet der Autor die Langeweile, die sich manchmal einstellt, wenn eine Person praktisch bis auf den letzten Tropfen ausgewrungen wurde, wenn man mir die Formulierung verzeihen möge. Vor allem im Fall von O’Loughlin stelle ich es mir auch schwierig vor, nicht ständig auf seiner Parkinson-Erkrankung herumzureiten. Ein ähnliches Problem haben vermutlich auch die Macher von „Der Mentalist“. Er wurde als eine Figur mit äußerst tragischem Hintergrund eingeführt und diesen Hintergrund wird man nun leider nicht mehr los. Dadurch versperrt man sich selbst die Möglichkeit, der Figur eine neue Perspektive zu geben. Hier in diesem Buch wird das vermieden.
Ein sehr spannender und gut recherchierter Thriller, am Anfang ein bisschen verwirrend wegen der verschiedenen Schauplätze, doch absolut „erste Sahne“.