Österreich 2019, Benevento Verlag
Genuss, das ist es, was in allem gesucht wird
Ein junger Mann überlebt einen Flugzeugabsturz und irrt auf der Suche nach seinem Vater durch den nahen Osten. Auch dieser ist mit dem Flugzeug abgestürzt und hat überlebt. Der Weg des jungen Mannes, August Lieblig aus Berlin, führt ihn über Marrakesch in Marokko nach Fes, dann über das Mittelmeer nach Tunis, später nach Tripolis und Tobruk in Libyen bis nach Aleppo in Syrien. Dabei trifft er die unterschiedlichsten Menschen, die ihm jedoch den Weg immer weiter weisen. Er scheint seinen Vater ständig zu verpassen. Dieser ist offensichtlich einer bestimmten Sache auf der Fährte.
Gleichzeitig wird der Ermittler Calanda aus Hamburg, einer der besten, von einem schweizerischen Lebensmittelkonzern mit einer heiklen und schwierigen Ermittlung betraut. Er soll ein Aroma finden. Dieses Aroma ist so überaus köstlich, dass jeder, der einen Hauch davon auf seinem Essen findet, diesem nicht widerstehen kann, egal ob es eine Torte oder Hundefutter ist. Dieses Aroma ist zufällig in der Konzernzentrale aufgetaucht, ohne dass es irgendeinen Hinweis auf seine Herkunft gab, außer einem Ölzweig aus dem Süden. Calanda ist nicht der einzige, der das Aroma jagen soll, es wurden schon andere losgeschickt. Einige von diesen sind inzwischen bei Unfällen gestorben. Zuviel, um an Zufälle zu glauben. Akribisch macht sich Calanda auf die Suche. Diese führt ihn zunächst zu verschiedenen Experten und letztendlich auch nach Aleppo. Wie hängt das alles zusammen? Was steckt dahinter? Oder wer? Was ist mit diesem Aroma?
Dick und fett steht „Kriminalroman“ auf dem Titel. Doch das trifft es nicht allein. Vor allem Augusts Suche nach seinem Vater ist mehr ein Märchen aus 1001 Nacht. Die Realität scheint verloren zu gehen und er wird von den merkwürdigsten Erzählungen seiner diversen Gastgeber und Helfer bezaubert. Der eine erzählt aus seiner Jugend von einem der besten Köche der Welt, der wegen einer Intrige alles verlor, der andere erzählt von Ziryab, dem arabischen Dichter und Sänger, der um 800 n. Chr. die „Tischsitten“ in die arabische islamische und somit auch die andalusische Welt einführte, derer wir uns heute auch noch bedienen. Vorher war alles in einer Schüssel aufgetragen worden, dann wurden die berühmten drei Gänge eingeführt, er erfand Tischdekorationen und verhalf ganz allgemein der feinen Lebensart zur Geburt. Und er hatte noch viel mehr Talente. In Tobruk erfährt August, wie das damals war, als während des Zweiten Weltkriegs die Schlachten um Tobruk stattfanden. An dieser Stelle habe ich mich gefragt, warum jetzt dieses Thema auch noch angeschnitten wird – und das Buch hat wirklich eine Menge verschiedener Themen – aber für den weiteren Verlauf erscheint es später ganz logisch.
Die andere Geschichte, die des Ermittlers Calanda, ist von einem anderen Zuschnitt. Hier geht es in erster Linie um nacktes Wissen, Realität pur. Er spricht mit Experten zu Geschmack und Aromen, sucht den Grund für die beiden Flugabstürze und ist jeder Fantasie abgeneigt. Doch während seiner Arbeit wird ihm immer mehr bewusst, dass er nicht sicher ist, ob er den Auftrag überhaupt bis zum Ende ausführen soll. Die Konsequenzen einer erfolgreichen Suche werden ihm immer klarer, je mehr er über das Thema Biotechnologie und Lebensmittelproduktion erfährt.
Ein interessantes Buch, das man gar nicht weglegen will. Doch obwohl es mehrere Tote gibt und eine finstere Gestalt im Hintergrund, kann man den Roman nicht als Krimi einfach in eine Schublade stecken. Dafür ist es zu fantastisch geschrieben und ich muss zugeben, ich habe lange nicht mehr bei der Lektüre eines Buches soviel gegoogelt. Und ich habe eine Menge gelernt. Also Leute: lesen!