Jo Nesbø: Der Leopard

OT: Panserhjerte, Norwegen 2009, D 2009
Hörbuch
Hörbuch Verlag Hamburg, 2009
gelesen von Burkhardt Klausner (gekürzte Lesung)
6 CDs, Minuten

Ein Leopoldsapfel ist ein historisches Folterinstrument, das so funktioniert: Das Opfer bekommt eine Metallkugel in den Mund. Es wird an einem Band gezogen, und die Kugel wird durch Stifte auseinandergespreizt, die die Mundhöhle des Gefolterten auseinander drücken. Noppen haften, durch den Druck verstärkt, in der Mundhöhle. Der Druck ist ein ungeheurer, und der einzige Ausweg, der sich dem oder der Gefolterten bietet, ist es, an einem roten Band zu ziehen, das aus der Kugel und aus dem Mund herausragt.Nimmt man aber diesen scheinbaren Ausweg wahr, dann treten Nadeln aus den Noppen, 24 Stück insgesamt, die den Gemarterten rundum in die Mundhöhle stechen. Der Tod des Gefolterten ist die Folge.

Mit einem solchen Instrument sind zwei Frauen ermordet worden, und mit einer solchen Szene beginnt das Hörbuch.

Die Suche nach solchen Gerät wird Harry Hole später nach Afrika, genauer gesagt nach Ruanda im Grenzgebiet zum Kongo, führen, aber zunächst muss er durch die Kriminalkommissarin Kaja aus Hongkong geholt werden. Dort ist er gewissermaßen gestrandet, er hat Wettschulden, und diese sind an die Triaden verkauft worden. Zunächst will er sich nicht retten lassen, erst der Hinweis auf seinen Vater, der im Sterben liegt, lässt ihn sich anders besinnen.

Durch ein Seil, das der Täter verwendet hat, wird die Verbindung zu einer stillgelegten Seilerei, an einem See gelegen, gezogen, und prompt wird dort im See auch die dritte Leiche gefunden. Alle Toten haben eins gemeinsam: Sie waren in einer bestimmten Nacht Gäste in einer Hütte in einem Skigebiet, wo Touristen übernachten können. Um festzustellen, welche Personen dort übernachtet haben, lässt sich eine Kollegin von Hole von der örtlichen Polizei mit einem Snowmobil dorthin bringen, aber die Seite des Gästebuchs ist herausgerissen worden.

Es gibt immer wieder Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Mordkommission und dem Kriminalamt, einer Art Bundesbehörde in Norwegen. Das Kriminalamt, in der Person des ehrgeizigen Mikael Bellmann, will den Fall für sich haben. Das geht einige Mal hin und her, auf Dauer nervt es ein bisschen, dieser Handlungsstrang scheint mir etwas überzogen.

Der Kontakt mit einem Hauptverdächtigen lässt auch eine verbindung nach Afrika erkennen. Derjenige, um den es geht, hat Schürfrechte für Coltan erworben und sammelt Geld von Investoren in Norwegen. Coltan ist ein seltenes Metall, man braucht es für die Produktion von Handys und Spielekonsolen. Der Verdächtige wird aber zunächst entlastet, weil er hieb- und stichfeste Alibis vorweisen kann; wie es dann weitergeht, wird hier nicht verraten!

Allerdings bleibt seine Verbindung zu den anderen Personen, die in der Berghütte waren, etwas undeutlich. Der Hörer (oder der Leser des Buches) spürt zwar, dass hier etwas nicht stimmen kann, aber so ganz klar wird die Sache nicht. Auch die Psychologie des Kommissars Harry Hole wird nie ganz plausibel. Eigentlich will er gar nicht mehr für die Mordkommission arbeiten, er ist ja nur seines kranken Vaters wegen zurück nach Norwegen gekommen. Dann, einmal im Fall „drin“, verhält er sich völlig professionell, als wäre nie etwas gewesen; zum Schluss kündigt er dann doch wieder und entschwindet erneut nach Hongkong, wo er sich als Geldeintreiber bei dem Typen anheuern lässt, bei dem er zuvor selber Schulden gemacht hatte.

Dennoch ist er eine sympathische Figur. Als Krimifan mag man ja in der Regel die unkonventionellen Ermittler, die eigene Wege gehen, sowohl in kriminalistischer Hinsicht als auch in persönlicher; wenn ein solcher Typ, der eigentlich vom Schlage des einsamen Wolfes ist, dann auch noch die Liebe einer Frau finden, ist es umso schöner. Wenn eine solche Liebe dann nicht auf Dauer funktioniert, ist es schade, im Grunde aber passt das zu dem überindividualistischen Kommissar mit einigen selbstzerstörerischen Zügen.

Burkhardt Klausner liest das Buch richtig gut. Seine Fähigkeit, verschiedenen Personen gewissermaßen eine eigene Stimme zu geben, ist bewundernswert. Wie er jedes Mal auf eine eher tiefe, heisere Stimme umschaltet, wenn Harry Hole zu Wort kommt, das ist schon phänomenal.

Insgesamt ist das Buch spannend und gut erzählt. Dass dennoch nicht immer alle Handlungsstränge stimmig wirken, manches so schnell und glatt geht, dass man erst hinterher denkt, komisch, weshalb denn überhaupt – das stört denjenigen, der mit analytischem Verstand an die Sache herangeht, demjenigen, der ein spannendes und gut erzähltes Buch hören will, stört das weniger, man nimmt es gerne hin, wenn die Story an sich gut ist. Ich jedenfalls habe dieses Hörbuch von Jo Nesbø gerne gehört

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