Österreich 2016, Verlag List
Ganz ohne Wiener Schmäh
Carlotta Fiore ist nicht besonders glücklich mit ihrem Leben. Sie ist als Opernsängerin gescheitert, von der Polizeischule geflogen und nun arbeitet sie als Kaufhausdetektivin. Auch ihre Kindheit und Jugend war nicht sehr glücklich. Ihre „Mutter“, die berühmte und beliebte Opernsängerin Maria Fiore war gar nicht ihre wahre Mutter, sondern sie hatte sie in früher Jugend entführt. Und als sie ihren vermutlich leiblichen Vater kennenlernt, Kommissar Konrad Fürst, der bis heute unter dem Verschwinden seiner Tochter leidet, hat dieser prompt einen Unfall bei der Verfolgung eines Mörders und fällt ins Koma. Das einzig Gute in ihrem Leben ist ihr kleiner Sohn Konny und der Vater des Kindes, Kriminalkommissar Hannes Fischer.
An dieser Stelle beginnt der Krimi. Konrad Fürst erwacht nach 1,5 Jahren aus dem Koma und fast zeitgleich beginnt eine Mordserie. Jugendliche, fast noch Kinder, werden tot aufgefunden. Die Umstände sind genau die gleichen wie die einer Mordserie von vor 30 Jahren. Die Kinder tragen die gleichen Sachen wie die toten Kinder von damals und ihre Fingernägel sind mit dem gleichen Lack angemalt. Doch der Mörder von damals ist tot. Er starb zweifelsfrei vor einer Woche im Gefängnis. Handelt es sich um einen Nachahmungstäter? Oder einen Komplizen? Aber wie kommt die DNA des damaligen Mörders auf die Toten?
Der ehrgeizige und skrupellose Hauptkommissar Krump will auf Biegen und Brechen Konrad Fürst bei den Ermittlungen dabei haben, weil dieser damals der leitende Ermittler war. Es ist ihm völlig egal, dass Konrad an Amnesie leidet. Carlotta nimmt Konrad Fürst mit nach Hause und versucht ihn abzuschotten, doch das gelingt ihr nicht. Krump lässt nicht locker und greift zu unlauteren Methoden. Quasi aus Notwehr fängt Carlotta an zu ermitteln. Sie kannte früher sogar die Ehefrau des ursprünglichen Mörders, was es ihr leichter macht, nun Nachforschungen in dessen Familie anzustellen. Doch diese Idee ist nicht sehr gut, denn sie führt sie zurück in ihre dunkelsten Zeiten.
Dieser Krimi war eine echte Überraschung. Er ist spannend und verzichtet dabei völlig auf Wiener Schmäh. Er spielt zwar in Wien, die Handlung könnte jedoch überall stattfinden. Wien ist nur die Kulisse. Das finde ich äußerst entspannend. Kein Mensch schwärmt von Sachertorte und Schlagobers, wie schön! Natürlich gibt es auch hier ein Klischee: Carlotta ist trockene Alkoholikerin und Konrad Fürst war ebenfalls vor seinem Unfall Alkoholiker. Es erinnerte mich an Wallander. Ansonsten ist Carlotta eine ausgesprochen angenehme Heldin. Man kann ihren Kampf mit dem Leben als arbeitende Mutter nachvollziehen und ihre Familiengeschichte macht die Sache nicht einfacher. Außerdem hat sie die Tendenz, sich selbst im Weg zu stehen.
Als Leserin wird man in diesem Krimi einige Male auf eine falsche Spur geschickt. Er ist absolut nicht langweilig und man denkt die ganze Zeit mit. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Übrigens hat die Autorin 2015 den Leo-Perutz-Preis erhalten, bei dem deutschsprachige Krimis ausgezeichnet werden, die einen Bezug zur Stadt Wien haben. . „Mörderische Wahrheiten“ ist der zweite Band in einer Reihe mit der Hauptperson Carlotta Fiore. Hoffentlich geht die Reihe weiter.