OT: The Dead of Winter, Kanada 1999
Die Schauspielerin Madeleine Blais wird erhängt in der Scheune ihrer Großmutter gefunden. Anscheinend handelt es sich um Selbstmord. Doch ihre Großmutter, Madame Tremblay, glaubt nicht daran, denn Madeleine war immer ein lebensfroher, aktiver Mensch und ein solches Ende würde nicht zu ihr passen. Sie bittet ihren Nachbarn, Madeleines Ex-Mann, den Notar Pierre Rousseau, Nachforschungen anzustellen. Das zwingt ihn dazu, sich zu erinnern. An die Höhen und auch an die Tiefen einer Beziehung, die von großer Leidenschaft, aber auch von Eifersucht bis hin zur Gewalttätigkeit geprägt war. Je tiefer Pierre in die Untersuchung einsteigt, desto weniger ist er sich seiner selbst, seiner Gefühle und Motive, sicher. Und auch die Bewohner ihres Heimatorts (seines und Madeleines) sind gespalten in ihrer Loyalität. Einerseits war Madeline eine der ihren, andererseits war sie eine berühmte Schauspielerin, die viele Männer und viele Affären hatte und nicht so ganz der frankokanadischen Durchschnittsfrau entsprach.
Es ist nicht einfach, dieses Buch einer Kategorie zuzuordnen: ist es Belletristik oder ein Thriller? Es ist sehr gut geschrieben, die Innensicht der Figuren sehr literarisch angelegt. Die Handlung ist mehr die Aufarbeitung einer Beziehung als die Suche nach dem Mörder. Die Geschichte spielt im französischen Teil Kanadas, der Provinz Quebec, die in vor einigen Jahren und teilweise auch noch heute von einer Separatistenbewegung aufgewühlt wird. Die Separatisten sind zwar nicht mehr so gewalttätig wie früher, doch auch heute noch gibt es viele, die einen Groll gegen die „Engländer“ hegen. Uns hier in Europa ist das gar nicht so klar, doch wenn man Quebec, das übrigens wunderschön ist, einmal besucht und sich mit den Menschen dort unterhalten hat, lernt man ein wenig davon kennen. Pierre Rousseau, die Hauptfigur, war früher in dieser Szene aktiv, und das wirkt in seinem Heimatort noch lange nach.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist zwar schon alt, aber wirkt deshalb nicht langweilig. Und es unterscheidet sich wohltuend von den üblichen Thrillern, die oft nur auf Action zielen und dabei die Beweggründe der handelnden Personen außer Acht lassen.