Rex Stout: Zu viele Köche

Ein Koch hält eine Schüssel in der Hand

Copyright: Verlag Klett-Cotta

OT: Too Many Cooks, USA 1938, D 2017, Verlag Klett-Cotta

Nero Wolfe hat ungewöhnlicherweise die Bequemlichkeit seines New Yorker Hauses verlassen und ist mit seinem Sidekick Archie Goodwin in einem Zug unterwegs nach West Virginina zum Kanawha Spa. Jeder, der den stark übergewichtigen Nero Wolfe kennt, kann sich vorstellen, dass es nur außergewöhnliche Ereignisse sein können, die ihn dazu bewegen könnten, seine Orchideenzucht und seinen Meisterkoch allein zu lassen und so ist es auch. Nero ist eingeladen worden, auf einem Treffen der 15 besten Köche der Welt eine Rede zu halten. Diese Ehre wird nur wenigen Sterblichen zuteil und so hat er seine 200 Kilo in Bewegung gesetzt. Doch schon auf der Fahrt wird klar, dass die Köche sich untereinander ganz und gar nicht grün sind. Der meistgehasste Koch ist Phillip Laszio, der einem der anderen die Frau ausgespannt hat, den übrigen Köchen die Ideen stiehlt und – was noch schlimmer ist – die Rezepte. Nero selbst würde seine Seele für das Rezept der „saucisse minuit“ von Jerome Berin geben.

Kaum im Kanawha Spa eingetroffen beginnen die Festlichkeiten, unter anderem mit der Durchführung einer Blindverkostung. Da wird Phillip Laszio tot aufgefunden, ermordet mit einem Tranchiermesser. Nero Wolfe hat eigentlich nicht die mindeste Lust, den Mord aufzuklären, doch es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. An Verdächtigen herrscht dabei kein Mangel.

Ich war immer schon ein Fan von Nero Wolfe. Im wahren Leben würde ich ihn vermutlich aus dem Fenster werfen (vorausgesetzt, ich könnte seine 200 Kilo heben), doch als literarische Figur ist er wunderbar. Seine Überheblichkeit, seine Bequemlichkeit, seine Abneigung gegenüber allem, was nicht Orchideen oder Essen ist, das Ganze gekrönt von einem scharfen Verstand, macht eine wunderbare Figur. Auch Archie Goodwin ist eine ganz besondere Gestalt. Er hat die Tendenz, völligen Blödsinn zu erzählen, wobei er von Hölzchen auf Stöckchen kommt, das ist schon ziemlich genial. Zudem liebe ich Geschichten und Filme, die sich um kochen oder um Köche/Restaurants drehen. Insofern ist ein Krimi, der unter Meisterköchen spielt, genau mein Ding.

In diesem Krimi ist alles vorhanden, was man braucht: ein Ermittlerduo, das sich von den Üblichen abhebt (weder Alkolholiker, noch depressiv), eine gute Geschichte, Humor, eine Liebesgeschichte und eine ganze Menge unterschwellige Kritik an der amerikanischen Wirklichkeit. So mancher Leser wird zusammenzucken, sobald er das Wort „Neger“ und die zutiefst rassistischen Aussagen einiger Protagonisten liest. Doch Rex Stout ist kein Rassist. Er spielt damit, indem er die schwarzen Angestellten des Spa als wichtige Figuren mit einem eigenen Leben darstellt, nicht als anonyme Masse. Wolfe packt sie an ihrer Verantwortung und versucht nicht, sie durch Einschüchterung zu Aussagen zu zwingen, was vollkommen konträr auch zur eigenen Erwartung der Männer ist.

Am Ende des Buches findet sich ein Schlusswort von Tobias Gohlis, Journalist, Autor und Kritiker, der den Krimi in Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten Ende der Dreißiger Jahre stellt. Er zieht Verbindungen zwischen dem Autor und seiner Figur, die ich höchst aufschlussreich finde. Ein Schlusswort wie dieses ist ungewöhnlich am Ende eines Krimis, doch ich bin dankbar. Es öffnet dem Leser die Augen, über die Geschichte hinweg.

Und nicht zuletzt: Das Buch ist angenehm gestaltet. Relativ klein liegt es gut in der Hand und fasst sich wegen des Materials auch angenehm an. Ich habe Rex Stout-Krimis bisher nur als uralte Taschenbücher in der Hand gehabt. Das Cover ist nett gestaltet und macht Lust auf die Geschichte. Offensichtlich hat der Designer das Buch auch tatsächlich gelesen. Das hilft natürlich bei der Gestaltung.

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