Von Schleewitz Kunstdetektei Erster Fall
D 2019, Galiani Berlin, Verlag Kiepenheuer & Witsch
Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters
Franz Marcs Bild „Der Turm der blauen Pferde“ ist nach der Nazizeit verschollen. Das Werk gehörte zur „Entarteten Kunst“, die zwar von den Nazis verteufelt, inoffiziell aber häufig von Nazigrößen wie Hermann Göring für eigene Zwecke benutzt wurden. Das geschah übrigens nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Musik oder Filmen.
Die Kunstdetektei von Schleewitz, bestehend aus Rupert von Schleewitz, Klara Ivanovic, Tochter eines bekannten Künstlers, und Max Müller, einem sehr guten Rechercheur, wird von dem Millionär und Kunstsammler Egon Schwarzer mit einem interessanten Auftrag betraut. Angeblich hat er das Original des „Turms der blauen Pferde“ erworben, allerdings ohne Papiere und unter dubiosen Umständen, und die Detektei von Schleewitz soll die Herkunft des Bildes klären. Das stellt sich als ziemlich schwierig heraus. Die Spur führt in die Gegend von Berchtesgaden, wo das Bild wohl viele Jahre gewesen sein soll. Doch während der Suche nach dem Verbleib des Bildes in den letzten 70plus Jahren stellt sich heraus, dass das Gemälde, das Schwarzer erworben hat, offensichtlich eine Fälschung ist, künstlich gealtert in einem Ofen. Der Millionär will das nicht einsehen. Er ist absolut sicher, dass sein Bild das echte ist. Und dann geschieht auch noch ein Kunstraub.
Zuerst das Positive: Ich habe eine Menge über Franz Marc und sein Bild gelernt. So wusste ich zum Beispiel nicht, dass es bis heute nur noch Postkarten und Drucke gibt, das Original aber tatsächlich seit Kriegsende verschollen ist. Man sieht das Motiv so häufig, dass ich gar nicht auf die Idee kam, dass das zugrunde liegende Werk gar nicht mehr existiert (oder vielleicht nur in einer Sammlung von Beutekunst). Der Krimi verschafft einem auch einen interessanten Einblick in die Mechanismen der Kunstwelt und nicht zuletzt auch in die Denke eines Künstlers. Insofern hat es mir gut gefallen.
Interessant ist auch, dass der Leser parallel zum heutigen Geschehen immer wieder die Vergangenheit des Bildes erlebt. Es ist aufschlussreich, die Besessenheit eines Menschen von einem Kunstwerk zu erleben. In diesem Fall eigentlich besonders spannend, denn es handelt sich bei der Person nicht um einen so genannten „Intellektuellen“, der mit Kunst und Kultur aufgewachsen ist, sondern um einen einfachen Bauernjungen, den praktisch der Blitz trifft. Es ist wie eine absolut kompromisslose Liebe auf den ersten Blick, für die man bedenkenlos töten würde. Das ist wirklich spannend zu lesen.
Doch es gibt auch Negatives: Ich zucke immer zusammen, wenn ich auf einem Cover eine Ankündigung wie „Erster Fall“ lese. Ich hänge immer noch der vermutlich naiven Vorstellung nach, dass man Krimis nicht wie aus der Retorte schreibt, sondern aus dem Herzen, wie mörderisch auch immer. Ich finde die Vorstellung ziemlich abturnend, dass da jemand sitzt und mit dem Verlag bespricht, was man denn mal schreiben könnte. „Hey, es gibt ja gar keine Kunstkrimis! Lass uns doch das Genre mal kapern.“ Nee, Leute, das finde ich nicht so toll. Auch die Figuren haben es leider nicht geschafft, mir ans Herz zu wachsen. Der Eigentümer der Kanzlei ist mir so fern wie der Mond, seine Mitarbeiterin Klara ist schon etwas besser zu verstehen und die Familie von Max ist irgendwie unstimmig. Künstlich. Merkwürdig. Vielleicht wird es ja beim zweiten Fall besser, denn der ist ja vermutlich schon in der Mache.