Su Turhan: Bierleichen

Copyright: Audio media

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Hörbuch
Deutschland 2014, audio Media Verlag
4 CDs, gelesen vom Autor (gekürzte Lesung), 312 Minuten

Ein junger Türke, Ömer, wird tot am Wittelsbacher Brunnen in München aufgefunden; ein Fall für das Sonderdezernat Migra? Wie der Name schon sagt, ist dieses Sonderdezernat mit dem Kommissar Sekhi Demirbilek, der jungen Kollegin Yale Dschengis und der deutschen Kollegin Frau Vierkant für Fälle zuständig, bei denen entweder Täter oder Opfer mit Migrationshintergrund anzutreffen sind. Das Opfer hatte 3,2 Promille, seltsam ist aber, dass allgemein bekannt war, dass Ömer keinen Alkohol trank, auch wenn er in einer Brauerei jobbte. Was steckt dahinter? Bald gibt es einen zweiten Vorfall mit Verbindungen zu der Brauerei, die junge Frau Manuela Weigel wird tot aufgefunden. Sie war gerade als „Bierkönigin“ gekürt worden, und sie hatte ein Verhältnis mit Florian Dietl, bekannt als Marketingfachmann für Brauereien. Wie hängt dies alles zusammen? – Beim zweiten Todesfall ist zwar die Verbindung zum Brauereiwesen deutlich, aber hier gibt es keinen Migrationshintergrund, deshalb ist hier der bayrische Kommissarskollege Pius Leitholt zuständig, ein bodenständiger Münchner Typ, er gerne seine Halbe Bier trinkt und mit dem türkischstämmigen Kollegen Demirbilek in einer Art frotzelnder Rivalität steckt, den Kollegen dabei schon einmal als „Du alter Osmane“ oder als „Pascha“ tituliert. Im Grunde verstehen sich beide aber gut.

Nach und nach, und manchmal etwas zu schnell aufeinanderfolgend, sodass der Hörer aufpassen muss, den Wendungen des Falles zu folgen, werden weitere Einzelheiten bekannt. Manuela Weigel ist offenbar am Rande der Festwiese von einem umgekippten Dixi-Klo erschlagen worden. In welchem Zusammenhang steht ihr Tod damit, dass sie ein Verhältnis mit Florian Dietl hatte, das aber von diesem kurz zuvor beendet worden war?

Nun wird auch in der Brauerei ermittelt, die mit der Kürung der Bierkönigin, aber auch mit dem Toten am Brunnen in Zusammenhang steht. Dort wird ein türkischer Investor namens Bairak angetroffen; offenbar soll die Brauerei in die Türkei verkauft werden, wo Bier nach deutschem Reinheitsgebot gebraut werden soll. Eine türkische Diplomatin steckt irgendwie in der Sache mit drin, welche Beziehung hat sie zu Bairak? Letzterer wird ohne greifbares Ergebnis von der Polizei vernommen, um einen Tag später im Getreidesicher der Brauerei tot aufgefunden zu werden. Zwar gibt es ein angebliches Bekennerschreiben von einer politisch rechtsaußen stehenden Gruppe, die verhindern will, dass die Brauerei in die Türkei verkauft wird, aber diese Spur erweist sich als Sackgasse.

Seltsame Dinge werden nun noch in der Brauerei entdeckt. Sie hatte sich schon vor Jahren in die Öko-Welle eingeklinkt und auf naturtrübes Bier umgestellt. Die Gerste von besonderer Qualität wurde angeblich von einem Betrieb am Bodensee bezogen. Nun stellt sich heraus, dass der Betrieb gar nicht existiert; die Website verweist auf eine ukrainische Adresse, und die Säcke, in denen das angeblich wertvolle Öko-Getreide geliefert wurde, wurden in China hergestellt und bedruckt.

Bevor wir weiteren Kapriolen des Falles folgen, hier zunächst ein Blick auf den türkischstämmigen Ermittler Demirbilek. Er wird so beschrieben, dass wir ihn als etwas eigenmächtigen und undogmatischen Polizisten kennen lernen, dessen menschliche Seiten aber auch nicht zu kurz kommen. Seine geschiedene Frau, die er immer noch liebt, taucht im Roman kurz auf, weil sie gerade in München ist; die junge Polizistin Yale Dschengis bewohnt ein Zimmer in Demirbileks Wohnung und hat ein Verhältnis mit seinem Sohn. Sie ist schwanger, zuerst will sie das Kind nicht bekommen, dann besinnt sie sich, und Demirbilek freut sich schon auf die Großvater-Rolle. Diese Aspekte haben mit dem Fall an sich nichts zu tun, aber sie machen die Person des Sonderermittlers menschlicher – wer liest oder hört schon Krimis allein aus kriminalistischem Spürsinn?

Der Roman „Bierleichen“ ist der zweite Fall um den Kommissar Demirbilek, der erste trug den Namen „Kommissar Pascha“, und der dritte mit dem Titel „Kruzitürken“ soll folgen, wie man der Website des Autors entnehmen kann. Su Turhan lebt in München, wie man sich denken kann, und arbeitet auch als Filmregisseur. Das vorliegende Hörbuch liest der Autor selbst, zu Beginn erscheint einem die leicht bayrisch getönte Sprechweise etwas hölzern, dann gewöhnt man sich daran. Autorenlesungen haben ja oft etwas Zwiespältiges an sich, einerseits besonders authentisch, andererseits ist oft eine geschulte Schauspielerstimme besser.

Zurück zum Fall – allzu viel soll gar nicht mehr verraten werden, aber nun geht es nach Istanbul. Dorthin ist Florian Dietl (man erinnere sich: Er hatte etwas mit der später ermordeten Manuela Weigel und ist nun mordverdächtig) unterwegs mit der 31 Jahre älteren Karin Zeil, seiner Geliebten – sie ist Assistentin der Geschäftsführung der Brauerei, sie wurde vom türkischen Investor Bairak, dem Toten im Getreidespeicher, ziemlich herumgeschubst. Wie hängt das alles zusammen? Dann kommt noch Hannes Dietl, der Vater von Florian, ins Spiel, und allmählich wird es dem Rezensenten alles etwas viel. Auf der einen Seite soll es spannend und authentisch sein, auf der anderen Seite sollen Zusammenhänge aufgerollt werden, beides zusammen ist schwierig.

Es gibt viele sympathische Figuren, und das Hörbuch kommt humorvoll und meistens auch nicht zu klamaukig daher. Dennoch bleibt es, vor allem im letzten Drittel, etwas unrund, und man denkt sich: Weniger wäre mehr gewesen. Vielleicht liegt es auch an der gekürzten Hörfassung, dass die Abfolge der Einzelszenen zu schnell und die Entwicklung des Falles zu konstruiert erscheint. So bleibt das Urteil etwas zwiespältig – als Hörbuch gut geeignet als Unterhaltung für längere Autofahrten, der wahre Krimigenuss ist es nicht geworden.

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