Frank Schätzing: Die Tyrannei des Schmetterlings

D 2018, Verlag Kiepenheuer & Witsch

Der Schmetterlingseffekt: Kann ein Flügelschlag einen Tornado auslösen?

Cover des Buches

Copyright: Verlag Kiepenheuer & Witsch

Sheriff Luther Opoku vom Sierra County im nördlichen Nevada findet die Leiche einer Frau. Sie war offensichtlich von einem Auto verfolgt worden, auf der Flucht abgestürzt und dabei tödlich verletzt worden. Im Auto der Toten findet er einen ID-Key, eine Art USB-Stick, versteckt zwischen den Polstern. Der Wagen selbst ist auf die Firma Nordvisk aus Palo Alto zugelassen. Die Firma beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz, digitalem Lernen, Big Data, Internet der Dinge, Robotik und so weiter, all die superinteressanten Themen unserer Zeit.

Der ID-Key zeigt eine Szene aus einem kugelförmigen Raum, in dem gigantische Tanks unter großen Sicherheitsvorkehrungen verladen werden. Luther beschließt, bei Nordvisk zu ermitteln. Die scheint ganz in der Nähe, irgendwo im Nirgendwo, eine hochgeheime Forschungsanlage zu betreiben.

Zunächst empfängt man ihn freundlich. Doch dann überstürzen sich die Ereignisse und führen ihn in Dimensionen, von deren Existenz er bisher keine Ahnung hatte.

Tja, ein neuer Roman von Frank Schätzing! Ich war hocherfreut, das Buch zu lesen. Doch ich bin ein wenig enttäuscht. Aber zunächst das Gute: Schätzing hat eine wirklich gute, flüssige „Schreibe“. Keine Spur von den oftmals hölzernen Dialogen und merkwürdigen Satzkonstruktionen, bei denen sich die Leserin schüttelt. Zweifelsfrei kann der Mann schreiben. Wenn ich nicht wüsste, dass er ein deutscher Autor ist, würde ich ihn in den USA verorten. Trotzdem ist er dieses Mal etwas klischeehafter als sonst.

Aber: das Thema, das in meinen Augen wirklich superinteressant ist, in technischer und moralisch/philosophischer Hinsicht, wird einfach verschenkt. Zunächst lässt sich der Roman, nach einem geheimnisvollen Anfang, ziemlich viel Zeit, bevor er endlich in die Gänge kommt.  Bis nach dem ersten Drittel habe ich mich immer gefragt, worauf das Ganze hinausläuft: Paralleluniversen, Zeitreisen, was auch immer. Es dauert ziemlich lang, bis es endlich zum eigentlichen Thema kommt. Und das ist einfach nicht so interessant, wie ich gehofft hatte. Die Stellen, an denen Schätzing über die Zukunft schreibt, mit allem, was man theoretisch machen könnte, in architektonischer, technischer, medizinischer Hinsicht, ist gut recherchiert, aber viel zu schnell abgehandelt. Stattdessen hält er sich in inneren Monologen, Sprüngen in die individuelle Vergangenheit und langwierigen Diskussionen auf. Dazu kommt dann noch ein bisschen Action, die das Ganze aber auch nicht mehr rausreißt. Hilfreich ist es auch nicht, dass in jeder Welt immer die gleichen Personen mit den gleichen Namen und mehr oder weniger gleichen Charakterzügen erscheint, so dass man als reiner Spaßleser (der kein fotografisches Gedächtnis hat und auch nicht alles in einem Zug durchliest) irgendwann den Überblick verliert. Wer ist wer und wo und warum? Am besten legt man sich beim Lesen einen Zettel daneben, auf den man die einzelnen Personen mit Herkunft und Geschichte notiert. Das erleichtert das Verstehen ungemein.

Ziemlich am Ende des Buches wird es in philosophischer Hinsicht doch noch ein Mal interessant. Wenn wir Maschinen erschaffen, künstliche Intelligenzen, die selbst lernen können und ein Bewusstsein entwickeln, tun wir uns damit einen Gefallen? Ist es klug, alles zu tun, was machbar ist, nur weil wir es können? Befördern wir uns damit nicht selber in den Abgrund? Der Bau der Atombomben ist doch ein gutes Beispiel: wissenschaftliche Neugier und Kompetenz schafften unendliches Leid und bis heute andauernde Gefahren. Es liegt an uns, ob wir noch einmal einen ähnlichen Fehler machen, nur weil wir es können.

Trotz Längen, die der Roman enthält, lohnt es sich trotzdem ihn zu lesen, um die Auswirkungen hemmungslosen technischen Fortschritts, der von den falschen Personen missbraucht werden kann, vor Augen zu führen. Als Actionroman taugt er nichts und als Krimi nur bedingt. „Der Schwarm“ war besser.

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