Su Turhan: Kruzitürken

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Hörbuch
Deutschland 2015, audio Media Verlag
4 CDs, gelesen vom Autor (gekürzte Lesung), 310 Minuten

Die Reihe um den Münchner Kommissar Demirbilek, am Namen unschwer als türkisch-stämmig zu erkennen, und seine beiden Mitarbeiterinnen Yale Dschengis und Isabel Vierkant, wird mit diesem dritten Hörbuch fortgesetzt. Die drei bilden das „Sonderdezernat Migra“, ihre Aufgabe ist es, Kapitalverbrechen aufzuklären, deren Opfer oder Täter einen Migrationshintergrund haben. In diesem Fall gibt es einiges Kompetenzgerangel mit dem bayrischen Kommissarskollegen Pius Leitholt, eine neue Chefin spielt ebenfalls eine im Laufe des Falles zunehmend unklarere Rolle.
Der Sohn von Kommissar Demirbilek, Aidan, wohnt bei seinem Vater, zusammen mit seiner Freundin, der Mitarbeiterin im Morddezernat Yale Dschengis. Diese ist schwanger, im Laufe des Falles führen diese familiären Verwicklungen noch zu einigem Wirbel. Überhaupt ist es in diesem Hörbuch so, dass häufig zwischen persönlichen Angelegenheiten und der Mordermittlung hin- und hergeschaltet wird. Das macht auf der einen Seite den Fall lebendiger und die Personen interessanter, auf der anderen Seite bekommt das Hörbuch dadurch zum Teil den Charakter einer Fernseh-Vorabendserie. Doch zunächst zu den Ermittlungen:
Zu Beginn des Falles wird ein Toter aufgefunden, ein türkischstämmiger Kredithai. Dieser Fall dient aber nur als Auftakt sowie zur Vorstellung des Kripo-Personals, der eigentliche Fall dreht sich um eine internationale Bauchtanzgruppe, von deren sieben Tänzerinnen zwei kurz hintereinander ermordet werden. Eine der beiden Opfer wird mit dem Korkenzieher eines Schweizer Taschenmessers in den Hals gestochen und verblutet, das andere Opfer wird in der Dusche mit dem Duschschlauch erwürgt.
So weit, so unklar, denn die Handlung wird im schnellen Wechsel der Szenen dargeboten. Dabei wird nicht direkt klar, welche Rolle beispielsweise Fahad, der aus Algerien stammende schwule Tourmanager, spielt; was hat Ökan Gök mit dem Fall zu tun? Er ist der Cousin der Designerin, die die Kostüme für die Tänzerinnen schneidert, und zumindest in einem davon wurde Heroin geschmuggelt, was nur dadurch herauskommt, dass die Pathologin Spuren der Rauschgifts in Mund und Vagina eines der beiden Mordopfer findet, der das Kleidungsstück in den Mund und den Unterleib gestopft wurde.
Die Personen, die im weiteren Verlauf eine Rolle spielen, sind: Deniz, eine der Tänzerinnen, die in Wirklichkeit ein Mann ist, wird ermordet, ebenso Meral Ses, das zweite Mordopfer; sie ist lesbisch und hatte vor zwei Jahren ein Verhältnis mit einer jungen Frau, die durch einen Unfall starb. Seitdem wollen sich die Eltern der ums Leben gekommenen Frau an Meral rächen, die sie für den Tod ihrer Tochter verantwortlich machen. Das Ehepaar war an dem Abend, an dem die Morde geschahen, bei der Bauchtanz-Vorführung anwesend und sie machen sich durch widersprüchliche Angaben verdächtig.
Homosexualität in verschiedenen Spielarten ist ein wichtiges Thema im Roman. Wie man sich vorstellen kann, ist dies im türkischen Milieu mit vielen Tabus belegt, nach und nach wird das Motiv ans Licht gebracht. Inwiefern ist mit den Morden zu tun hat, wird im Laufe der Er-mittlungen natürlich eine Rolle spielen.
Etwas verwirrend erscheinen zunächst die Gründe des Kommissars Demirbilek, „eine Auszeit zu nehmen“, wie es an einer Stelle heißt, sich krankschreiben zu lassen und nach Istanbul zu fliegen. Dass ein Zusammenhang zum aktuellen Fall besteht – über welchen Weg kam das Heroin nach München? – interessiert nur in zweiter Linie. In Wirklichkeit geht es um das türkische Ideal einer intakten Familie. Jetzt, wo die Freundin seines Sohns schwanger ist, versucht Kommissar Demirbilek, seine vor sieben Jahren geschiedene Ehe zu retten. Dass dies nicht gelingen kann, liegt auf der Hand.
Das Hörbuch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Neben dem sympathischen Ermittler-Personal, einer Fixierung auf die Homosexuellen-Thematik mit zu vielen Handlungssträngen, Zufällen und zum Teil Ungereimtheiten ist die Geschichte doch teilweise eher verwirrend, kommen ständig zu viele neue Aspekte ins Spiel, als dass man der Geschichte mit entspann-tem Interesse folgen könnte. „Weniger wäre mehr gewesen“, hatte ich bei der Besprechung des zweiten Falles „Bierleichen“, geschrieben, und dieser Eindruck ist bei diesem Krimi eher stärker als geringer ausgefallen.

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