Anne Chaplet: In tiefen Schluchten

D 2017, Verlag Kiepenheuer & Witsch

Die Vergangenheit ist nicht vorbei

Cover des Buches

Copyright: Kiepenheuer & Witsch

Patentanwältin Tori Godon, eigentlich Viktoria, ist ihrem Mann zuliebe, ebenfalls Anwalt und Nachfahre von Hugenotten, den Kinder Gottes, wie sie sich selbst nannten, ins Vivarais gezogen, die Gegend kurz vor Avignon. Hier fanden viele Hugenotten in der Zeit von Ludwig, dem Vierzehnten, dem Sonnenkönig, entweder den Tod, sie flohen vor Verfolgung oder sie konvertierten zum Katholizismus. Die Familie ihres Mannes war als eine der letzten geflohen und am Ende in Deutschland gelandet. Carl, ihr Mann, wollte am Ende seines Lebens dahin, wo die Wurzeln seiner Familie lagen. Nun ist er tot und sie lebt allein, mit 42 Jahren, in Belleville, einen kleinen Ort, wo es nicht nur Franzosen gibt, sondern auch viele Deutsche, ehemalige Aussteiger.

Eines Tages verschwindet ein junger Holländer. Er wollte sich in der Gegend, die unglaublich viele Grotten und Höhlen besitzt, umsehen. Während dieses Ausflugs hat er sich uquasi in Luft aufgelöst. Außerdem schien er nach etwas Bestimmtem auf der Suche gewesen zu sein und hatte sich bei den Alten des Dorfes nach Dingen aus der Vergangenheit erkundigt. Niemand scheint zu wissen, wo er hinwollte und eigentlich interessiert sich auch niemand dafür. Tori, die inzwischen ein wenig in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wurde, denkt eigentlich auch nur kurz darüber nach. Viel interessanter für sie ist der Kirchenrestaurator Jan Fessmann, den sie zufällig kennen lernt. Zusammen mit ihm macht sie in ihrem Haus einen interessanten Fund, Hinterlassenschaften der Hugenotten. Doch als sie noch etwas anderes findet, direkt aus der Zeit am Ende des zweiten Weltkriegs, stößt sie in ein Wespennest. Das Dorf hat offensichtlich etwas zu verbergen und irgendjemand scheint dafür über Leichen zu gehen. Und der verschwundene Holländer ist offensichtlich darin verwickelt.

Zweifelsohne erfährt man als Leser/in eine Menge über das Vivarais, seine Geschichte und seine Gegenwart. Ich habe eine Menge über die Hugenotten, die französische Architektur, über Höhlen und Landschaften und auch über die gesellschaftlichen Veränderungen in den Städten und Dörfern dieser südfranzösischen Gegend gelernt. Dabei ist die Hauptfigur Tori eine sympathische und glaubwürdige Heldin und man kann sich in ihre Situation einfühlen. Die Zeit des zweiten Weltkriegs mit dem Einmarsch der Deutschen, der Resistance und den Kollaborateuren ist anscheinend noch vielen Franzosen sehr präsent. Die Geschichte ist glaubwürdig erzählt, das Wissen wird quasi nebenbei vermittelt. Es wirkt keineswegs belehrend, die Story ist interessant. Da macht es fast nicht aus, dass das Ende eigentümlich unbefriedigend wirkt, obwohl es vermutlich näher an der Realität ist als das in manchem anderen Krimi.

Dieser Beitrag wurde unter Deutschland, Frankreich, Thriller abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.