OT: The Seven Deaths of Evelyn Hardcastle
GB 2018, D 2019, Tropen-Verlag
„Auf Blackheath hat niemand Freunde“
Ein Mann findet sich im Wald wieder. Er weiß weder, wo er ist, noch, wie er dahin gekommen ist, noch wer er ist. Er weiß nur, dass er etwas Schreckliches gesehen hat und er hat den Namen „Anna“ im Kopf. Kurze Zeit findet er sich in einem ehemals prächtigen Herrenhaus wieder, das aber in den letzten 20 Jahren stark verfallen ist. Es stellt sich heraus, dass sein Name Dr. Sebastian Bell ist, ein Arzt, und dass er auf diesem Landsitz Blackheath weilt, weil er zu einem Maskenball eingeladen ist. Mit ihm sind viele andere Gäste dort, außerdem Lord und Lady Hardcastle, die Gastgeber, sowie deren erwachsene Kinder, Michael und Evelyn. Eine Anna steht jedoch nicht auf der Gästeliste. Sebastian ist total durcheinander. Warum kann er sich an nichts erinnern? Selbst sein Spiegelbild ist ihm fremd.
Auf der abendlichen Veranstaltung geht es ihm nicht besser. Er erkennt niemanden, merkt aber, dass es höchst ungewöhnliche Strömungen unter den Anwesenden gibt. Dabei erfährt er, warum der Ort so vernachlässigt wurde. Vor 19 Jahren wurde Thomas, Bruder von Evelyn und Michael, im Alter von 8 Jahren ermordet. Der Mörder wurde gefasst und gehängt. Die Familie verließ den Landsitz, weil sie es nicht mehr ertragen konnte. Nun sind die gleichen Personen, die an jedem Wochenende hier waren, wieder versammelt. Das erklärt teilweise die düstere Atmosphäre.
Während Bell noch darum kämpft, sein Gedächtnis wieder zu erlangen oder zumindest zu verstehen, was auf Blackheath vor sich geht, trifft er auf eine merkwürdige Person im Gewand und mit der Maske eines Pestdoktors aus dem Mittelalter. Von ihm erfährt er, dass ein „Lakai“ hinter ihm her ist und ihn töten will. Das macht seine Situation nicht einfacher. Warum will der „Lakai“ ihn töten?
Aufgewühlt trifft er auf Evelyn Hardcastle. Er mag sie sofort. Sie scheint eine Freundin zu sein, die ebenfalls mit Problemen zu kämpfen hat, die sie jedoch für sich behält. Bell versucht unbedingt herauszufinden, was los ist, doch da schlägt der „Lakai“ das erste Mal zu …
Im Grunde gibt es in der Welt der Kriminalromane und Thriller nicht viel Neues. Manche sind spannend, andere langweilig, manchmal wachsen einem die Personen ans Herz, manchmal lassen sie den Leser kalt, es wechseln die Mordmethoden und die Motive, doch viel Neues gibt es Im Grunde nicht. Eigentlich ein hochmoralisches Genre. Das Böse wird praktisch immer besiegt und wenn nicht, dann handelt es sich um einen Mörder, der nicht wirklich böse ist.
Dieser Thriller ist komplett anders. Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen. 8 Tage, 8 Personen, 8mal der gleiche Ablauf mit jeweils kleinen Änderungen. Der Held, wenn man ihn so nennen darf, hat die Aufgabe, den Tod von Evelyn Hardcastle nicht zu verhindern, sondern zu erklären, was sich als sehr schwierig herausstellt. Jeden Tag findet er sich in einem anderen Körper wieder, den Beschränkungen der jeweiligen Person unterworfen, immer mit ein bisschen mehr Wissen, doch ohne echten Durchblick. Er muss Menschen vertrauen, die er nicht kennt, einen Mord aufklären, der noch gar nicht geschehen ist, das ist wirklich spannend. Ich war allerdings sehr dankbar für die Auflistung der handelnden Personen, die am Beginn des Romans abgedruckt ist, sonst hätte ich wirklich den Überblick verloren. Was für eine ausgeklügelte Handlung! Es kann nicht einfach gewesen sein, diesen Kriminalroman zu schreiben, die Personen nicht durcheinander zu bringen, die zeitliche Abfolge immer im Blick zu haben und sich zu merken, wer wann was warum getan hat. Meine Hochachtung!
Ein absolut lesenswertes Buch, das – obwohl ein Kriminalroman – einen kräftigen Schuss Fantasy abbekommen hat. Aber keine Angst: nicht zu viel.