John Marrs: The Passengers

John Marrs: The Passengers
Du entscheidest über Leben und Tod

OT: The Passengers, GB 2019, D 2020, Heyne Verlag

„In zwei Stunden und dreißig Minuten sind Sie höchstwahrscheinlich tot.“

Copyright: Heyen Verlag

Eine nicht allzu ferne Zukunft: autonome Autos fahren auf Englands Straßen. Es gibt kaum noch Autos, die von menschlichen Fahrer:innen gesteuert werden. Die Unfallzahlen sind in den Keller gegangen, Unfälle mit Todesfolge gibt es fast gar nicht mehr. Die Regierung hat eine Kommission eingesetzt, die diese wenigen Unfälle untersuchen soll. In diese Kommission wird auch die junge Libby einberufen. Ein Woche soll sie zusammen mit vier anderen Menschen bewerten, ob die Todesfälle die Schuld der autonomen Autos oder der Opfer waren. Schnell beschleicht sie das Gefühl, dass in dieser Kommission nicht mit offenen Karten gespielt wird. Da wird eine Kommissionssitzung jäh unterbrochen. Acht Menschen, die in autonome Autos gestiegen sind, können nicht mehr aussteigen. Ihre Fahrzeuge wurden gehackt und fahren nun alle auf ein unbekanntes Ziel zu, bei dem sie miteinander kollidieren sollen. Der Hacker verlangt, dass die Mitglieder der Kommission bestimmen, wer sterben und wer am Leben bleiben soll. Kompliziert wird die Situation noch dadurch, dass gleichzeitig das Ganze ins Internet gestreamt wird. Millionen Menschen gucken sich das Ganze an. Auch sie sollen mitentscheiden.

Libby und die anderen Kommissionsmitglieder sind fassungslos. Wer ist der Hacker und was ist sein Motiv? Wie sollen sie entscheiden? Wer soll überleben: die hochschwangere Lehrerin Claire, die alternde Schauspielerin Sofia Bradbury, die misshandelte Einwanderin Shabana Khartri, die abgelehnte Asylbewerberin Bilquis Hamila, die Polizistin Heidi Cole, ihr Mann Sam Cole, der Rentner Victor oder Jude, der Mann, in den Libby sich verliebt hat? Als sie sich weigern und nicht das tun, was der Hacker will, zeigt dieser ihnen ohne Zögern, dass er es ernst meint: er lässt das erste Auto explodieren. Libby ist entsetzt. Was sollen sie tun? Wer kann diese Entscheidung treffen? Und genauso furchtbar ist die Reaktion der sozialen Medien und der Massen auf der Straße. Sensationslust statt Mitgefühl. Die Geschichte entwickelt ihre eigene entsetzliche Logik.

Ein spannender Thriller. Am Anfang erinnerte mich der Stil an Stephen King. Er macht das auch oft, dass er zunächst eine Person nach der anderen vorstellt, bevor die eigentliche Geschichte beginnt, in der die Lebenslinien dieser Personen miteinander verknüpft werden. So ist es auch hier. Die kleinen Einzelgeschichten setzen sich zu einem Gesamtbild zusammen. Unversehens entwickelt sich eine Katastrophe. Die Leserin erfährt das Geschehen (obwohl nicht in der Ich-Form) aus der Sicht von Libby, die einen guten Grund hat, der Technik ablehnend gegenüberzustehen. Der Thriller verbindet eine spannende Story mit einem kräftigen Schuss Sozialkritik, vor allem in Bezug auf die sozialen Netzwerke, und einem gesunden Misstrauen neuen Techniken gegenüber. Selbstfahrende Autos, Wearables, komplette Überwachung durch den Staat, eine Privatsphäre, die es eigentlich gar nicht mehr gibt, all das kommt auf den Prüfstand. Dabei winkt keine moralischer Zeigefinger. Jede:r kann sich fragen, wie würde man selbst entscheiden? Und ganz pragmatisch: würde man in ein autonomes Auto einsteigen? Ich jedenfalls nicht. Und Geräte, die meinen Blutdruck, meine Herzfrequenz, die Anzahl meiner Schritte (und mein Ziel) messen, muss ich auch nicht haben. Ein Rest Privates ist mir wichtig und der Technik, bzw. denen, die sie programmiert haben, traue ich auch nicht immer. Ich finde es zwar toll, was alles geht, aber man muss trotzdem nicht alles mitmachen.

Ein spannendes Buch, als Thriller sehr zu empfehlen.

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