Jean Bagnol: Commissaire Mazan und der blinde Engel

Copyright: audio media Verlag

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Hörbuch

Deutschland 2015, audio media Verlag

gelesen von Hemma Michel

2 MP3-CDs, 600 Minuten

Jean Bagnol ist das gemeinsame Pseudonym des Schriftsteller-Ehepaares Nina George und Jo Kramer, so erfährt man auf dem CD-Cover und auf der Website der Autoren. Das hier besprochene Hörbuch ist das zweite aus der Reihe der Provence-Krimis mit dem Kater Mazan.

Zu Beginn des Hörbuchs wird die Besitzerin einer Kunstgalerie, Celine Duron, in Paris ermordet, nachdem dort gerade eine Vernissage zu Ende gegangen ist. In der Galerie wurden die Bilder des blinden Malers Etienne Idka ausgestellt, und zwar aktuell dessen 12-teiliger Bilderzyklus mit dem Titel „Tod und Erlösung“.

Die Galeristin wird ermordet vor Bild Nr. 4 aufgefunden, und das Seltsame ist, dass die Leiche so arrangiert wurde wie die Person auf dem Bild. Etwas später wird eine zweite Person ermordet, ein Student, und auch hier bildet ein Gemälde aus dem Bilderzyklus die Vorlage. Die Verbindung dieses getöteten jungen Mannes zu dem Maler wird erst später entdeckt, und zwar war sein Vater ein Arzt, der wiederholt illegale Abtreibungen für junge Geliebte des Malers vorgenommen hatte.

Etienne Idka, der blinde Maler, wohnt in einem 5000-Seelen-Dorf in der Provence. Dort ist auch Zasira Matéo, Polizeikommissarin aus Marseille, zu Hause. Ihr Kater ist Commissaire Mazan. Der trug sich gerade mit dem Gedanken, aus dem langweiligen Ort zu verschwinden, als er vom Chef des Katzenreviers, dem Kater Rocki, um Hilfe bei der Suche nach Manon, einer Kätzin, gebeten wird.

Hier wird schon die Doppelstruktur des (Hör-)buchs deutlich. Auf der einen Seite ein traditionell erzählter Krimi mit junger Kommissarin, Verdächtigen und dem sonstigen menschlichen Personal, angereichert durch Eindrücke und Schilderungen der Provence unterhalb des Mont Ventoux. Auf der anderen Seite wird aus der Sicht der Katzen, vor allem Mazan, erzählt. Die Katzen verstehen natürlich die menschliche Sprache und können untereinander reden, aber die Menschen können die Katzen nicht verstehen.

Die Gemeinschaft der Katzen im Dorf sucht nach Manon, die spurlos verschwunden zu sein scheint. Schließlich wird sie von Orangino, einem neu zugezogenen Kater italienischer Abstammung, der die anderen Katzen durch sein ständiges Gerede nervt, entdeckt: Sie hat vier Junge bekommen und faucht die anderen Katzen wütend an. Nach einigem Hin und Her gelangt sie in die Obhut des Tierarztes June Parsefal, dem Nachbar der Kommissarin Zasira. Die beiden gehen sich geflissentlich aus dem Weg, obwohl sie eigentlich Gefühle füreinander haben, oder, wie es der Kater Mazan unverblümter ausdrückt, „sie wollen sich eigentlich paaren, aber irgendetwas hindert sie daran.“

Der Kater Mazan trifft schließlich eine wunderschöne weiße Katze; erst als er näher kommt, stellt er fest, dass sie blind ist. Sie spricht ihn an und sagt seltsamerweise: „Endlich bist du gekommen.“ Er sei ihr zuvor schon in seinen Träumen begegnet, sagt sie. Wie auch immer, Camille, so heißt die weiße Katze, gehört dem blinden Maler Idka; so schließt sich zunächst der Kreis, so entsteht die Verbindung zwischen den Katzen des Dorfes und der Kriminalgeschichte um die Morde im Zusammenhang mit der Bilderserie.

Zusätzlich wird durch eine weitere Angelegenheit eine Verbindung zwischen der Katzengesellschaft und den Menschen hergestellt: Der dicke Dorfpolizist Lucian Brel wird auf die Spur eines Vogelfängers gebracht. Obwohl verboten, werden in der Provence immer noch Singvögel gefangen, gemästet und gebraten. Brel lauert dem Fallensteller auf, es ist ein alter Mann namens Gerard, ein Bekannter des Polizisten. Zunächst will er ihn verhaften, entschließt sich dann aber, durch ihn an die Hintermänner heranzukommen. Als verdeckter Ermittler will er in einen Kreis von fragwürdigen Gourmets eingeschleust werden. Als diese Gesellschaft aufgedeckt wird, spielen die Katzen eine Rolle, denn sie wollen Manon mit ihren Jungen befreien, die vom Veranstalter dieser fragwürdigen Gourmettreffen gefangen wurde.

Zurück zur Mordserie: Ein drittes Mordopfer ist der Kunstkritiker Antoine Valerie, der sich immer wieder mit dem Werk des Malers Idka befasst hat. Spätestens jetzt ist die Verbindung der Morde mit der Bilderserie offenkundig. Zusätzlich ist dann auch noch Charles Idka, der Bruder und Manager des Malers, verschwunden, und nicht erst jetzt fragt sich die Kommissarin Zasira Matéo, welche Rolle eigentlich die Haushälterin Solange Ruel in der Geschichte spielt.

Die Handlung und die Erzählweise verläuft nicht geradlinig, sondern mäandert zwischen den verschiedenen Erzählsträngen hin und her. Mal wird ermittelt, dann werden die verpassten Chancen in der Liebe zwischen dem Tierarzt und der Kommissarin wichtig; die Ambitionen des Dorfpolizisten und seine – zunächst jedenfalls – vergeblichen Undercovereinsätze sind ein Thema, un zusätzlich wird zwischen der menschlichen Sichtweise und der Erlebniswelt der Katzen hin- und hergeschaltet. Manches Mal hat sich da der Hörer gewünscht, doch bitteschön die Katzengeschichte erst einmal weiter verfolgen zu dürfen. Aber diese hängt schließlich mit den anderen Ereignissen zusammen, und deshalb sind die Schnitte und Brüche wenn nicht notwendig, so doch von den Autoren gewollt und in der Logik des Romans konsequent.

Das Hörbuch, das auf zwei mp3-CDs (sehr praktisch) erscheint, wird gelesen von der Schauspielerin Hemma Michel. Diese macht ihre Sache gut und professionell. In diesem Roman immer den richtigen Ton zu finden, war sicher nicht einfach, wenn zwischen den Stimmen der Katzen und der Menschen umzuschalten ist, und dann auch noch die Stimme der Erzählerin zu bedienen ist. Also, gut gelesen – dass ich persönlich bei der Stimme der Vorleserin einen gewissen Wiedererkennungswert vermisse, ist ihr nicht anzulasten.

Was ist das Fazit bei der Bewertung dieses Hörbuchs? Auf jeden Fall gute Unterhaltung, das ist schon mal eine ganze Menge. Allzu strenge Maßstäbe sollte man bei einem Hörbuch dieses Kalibers auch nicht ansetzen, Hauptsache, es hat insgesamt Spaß gemacht, die Geschichte anzuhören, mit den Personen (bzw. auch den Katzen!) mitzugehen und mit der Auflösung zum Schluss einverstanden zu sein. Ob die Entwicklung der Handlung dann wirklich immer konsequent ist, ob alle Nebengleise, die betreten werden, notwendig sind, ob alle Einzelaspekte in der Beziehung der Figuren untereinander richtig plausibel werden, z. B. was die Rolle von Charles, dem Bruder des Malers, oder des Kunstkritikers Valerie, angeht, sei dahingestellt. Gut zu hören ist die Geschichte, beste Unterhaltung für eine lange Autofahrt. Und dass Katzen gut als literarisches Personal geeignet sind, wissen wir nicht erst seit Akif Pirinçcs „Felidae“, als Katzenkrimi schon ein Klassiker, oder seit Elke Heidenreichs „Nero Corleone“, sondern schon seit E. T. A. Hoffmanns „Lebens-Ansichten des Katers Murr“.

 

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