Volker Häring: Beijing Baby

D 2016, Verlag Conbook

Kulturrevolution und Kapitalismus

Abbildung des Buchcovers

Copyright: Conbook Verlag

Die Schauspielstudentin He Lin, auch genannt Xiao Fang, wird tot aufgefunden. Offensichtlich ist sie vom Dach eines Studentenwohnheims gesprungen oder gestoßen worden. Die junge Kommissarin Xiang Xia, frisch vom Lande in Chinas Hauptstadt versetzt und der altgediente Kommissar Wang, ein echtes Urgestein der Hutongs von Beijing (das Altstadtviertel), müssen zusammen ermitteln. Das gestaltet sich nicht so leicht, denn die beiden haben nicht viel gemeinsam. Außerdem stellt sich schnell heraus, dass He Lin eine Art Doppelleben führte. Auf der einen Seite studierte sie Schauspiel und lebte in einem Wohnheim, in dem das Kommen und Gehen streng kontrolliert wurde, nebenbei aber arbeitete sie in einem Nachtclub und, wie sich im Laufe der Ermittlungen herausstellt, hatte sie ein Verhältnis sowohl mit dem deutschen Studenten Phillip als auch mit einem hohen Politkader. Unweigerlich führt das zu Hindernissen für Xiang Xia. Die herrschende Klasse sieht es nicht gern, wenn einer der Ihren des Mordes verdächtigt wird. Auch in der Schauspielakademie war He Lin nicht unbekannt. Offensichtlich hatte sie auch noch ein Verhältnis mit Professorin Zhu. An Verdächtigen ist also kein Mangel und die beiden Kommissare haben viel zu tun. Dabei verkompliziert es noch die Lage, dass Xias Herz sich einem der Verdächtigen zuwendet.

Nun ja, ein weiterer Länderkrimi, dieses Mal aus China bzw. über China, denn der Autor ist Deutscher, kein Chinese. Es ist interessant, das moderne China kennen zu lernen, denn darüber weiß man hier eigentlich nicht so sehr viel. Auch hier ist der Kapitalismus auf dem Siegeszug. Aber ehrlich gesagt: für einen spannenden Krimi reicht es nicht. Es wird geredet und geredet und gegrübelt und gegrübelt, aber es geht nicht vorwärts. Von Spannung keine Spur. Der Conbook Verlag bringt viele Länderkrimis heraus, meist aus dem asiatischen Raum, aber vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, sie nicht immer unter dem Label „Krimi“ zu veröffentlichen. Bei einem Krimi erwarte ich eigentlich eine spannende Geschichte, möglichst zum mitdenken, in der es darum geht, wer wen warum umgebracht hat. Allein eine Tote, ein paar Kommissare und ein exotisches Land machen noch keinen Krimi.

Die Charakterisierungen sind alle ein bisschen oberflächlich. Es tauchen Personen auf, die eine wichtige Rolle spielen, aber so richtig fehlt einem der Hintergrund. So zum Beispiel  kommunizieren die beiden Kommissare eigentlich kaum richtig, so dass man als Leserin zwar bemerkt, dass die Chemie nicht stimmt, aber ohne, dass man sich richtig darüber klar wird, warum. Erst im letzten Viertel des Buches wird zum Beispiel auf die Gefühlswelt von Kommissar Wang eingegangen.

Für mich als Leserin war es auch etwas verwirrend, dass die Tote und die Ermittlerin ähnliche Namen haben: Xiao Fang und Xiang Xia. Das sieht zwar jetzt gerade nicht so aus, wenn sie nebeneinander aufgelistet werden, doch beim Lesen musste ich mir immer wieder klarmachen, von wem denn jeweils die Rede war. Freundlicherweise hat der Autor am Ende ein Verzeichnis der am häufigsten vorkommenden chinesischen Begriffe angehängt. So kann man immer mal etwas nachschlagen.

Letztendlich ist mein Fazit: der Krimi reißt einen nicht vom Hocker. Die Beschreibungen des modernen China sind interessant und manchmal auch – zumindest für mich – überraschend, aber spannend ist anders.

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