Michael Ridpath: Fluch

Quelle: Tandem Verlag/Hoffmann und Campe

Quelle: Tandem Verlag/Hoffmann und Campe

Hörbuch
Tandem Verlag (Sonderausgabe) zuerst Hoffmann & Campe, 2010
gelesen von Stephan Benson (gekürzte Lesung)
6 CDs, 480 Minuten

Magnus Jonson heißt eigentlich Magnus Ragnarson, denn sein Vater hieß Ragnar Jonson; als Isländer hat man natürlich den eigenen Vornamen und den Vatersnamen mit der Endung -son. Aber bei der Einbürgerung in die USA musste Magnus den Nachnamen seines Vaters annehmen. Jetzt ist Magnus Jonson Detective Sergeant bei der Polizei und muss für eine Weile aus der Schusslinie gezogen werden, weil ihm ein Gangstersyndikat nach dem Leben trachtet. Da trifft es sich gut, dass sein Chef eine Anfrage des isländischen Polizeichefs hat, der wegen der zunehmenden Kriminalität in Reykjavík gerne für eine gewisse Zeit einen amerikanischen Berater hätte; da Magnus seine Muttersprache noch nicht verlernt hat, auch wenn er seit 18 Jahren kein Wort isländisch mehr gesprochen hat, ist er der Richtige für diesen Job.

In Island angekommen, wartet direkt ein Mordfall auf ihn. Ein Professor, der über alte isländische Sagas forscht, ist in seinem Sommerhaus mit einem Stein erschlagen worden. Anschließend wurde die Leiche in den nahen See geworfen. Im Laufe der folgenden Ermittlung kommt heraus, dass Professor Agnar als Vermittler beim privaten Verkauf einer alten isländischen Saga fungieren wollte. Diese Saga war über Jahrhunderte ein Familiengeheimnis gewesen, denn ein Ring, der darin eine wichtige Rolle spielte, hatte schon vielen Vorfahren Unglück gebracht – daher auch der Titel des Buches: „Fluch“. Die Wurzeln dieser Geschichte reichen bis in mythologische Vorzeiten zurück, der Ring hatte ursprünglich dem Zwerg Antwari gehört. Im Buch selber gibt es auch einen, natürlich fiktiven, Briefwechsel zwischen einem Vorfahr der Familie, der mit J. R.R. Tolkien, dem Autor des Kultepos „Herr der Ringe“ und ebenfalls Professor, in Kontakt war. Darin beschreibt Tolkien, dass er Elemente aus der unbekannten Saga, die in einem Pub beim Bier ausgeplaudert worden war, in leicht verwandelter Form für den „Herrn der Ringe“ verwendet habe. Nebenbei bemerkt, ist dies ein kluger Trick des Autors Michael Ridpath, der eigenen Geschichte mehr Plausibilität zu geben und gleichzeitig die eigenen Anleihen bei Tolkien zu kaschieren!

Zurück zu den Ermittlungen: Ein Engländer namens Steve Jab wird als Mordverdächtiger verhaftet. Er ist Mittelsmann für den Kontakt zu Professor Agnar gewesen, hinter ihm steht ein reicher US-Amerikaner, wie der Engländer ein Herr-der-Ringe-Fan, namens Laurence Feldman – der wird später auch noch in Island auftauchen und eine Rolle spielen.

In Island reden sich die Menschen untereinander alle mit Vornamen an; deshalb werden die Akteure auch im Hörbuch in der Regel so bezeichnet, und wir folgen gerne dieser Sitte, wenn Beteiligte vorgestellt werden.

Eine wichtige Person für den Fortgang der Handlung ist Ingelev, die Inhaberin eines Antiquitätenladens. Sie ist diejenige, die die alte Handschrift der Saga zum Verkauf angeboten hatte. Der Grund dafür sind finanzielle Probleme, der Laden wird zwar von allen, die ihn kennen, gelobt, aber er wirft zu wenig Geld ab. Nach dem ersten Gespräch zwischen Magnus und Ingelev stellt sich heraus, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hat, es gibt also Anlass genug, sie noch einmal aufzusuchen. Darüber hinaus ist Magnus auf unklare Art fasziniert von Ingelev. Ihr Vater ist vor 16 Jahren ums Leben gekommen, und diese Tragödie hängt, wie vieles in dieser Geschichte, mit dem Ring zusammen. Der sollte nämlich eigentlich, um den Fluch zu bannen, in den Schlund eines Vulkans geworfen werden, und zu diesem Zweck machte sich Ingelevs Vater mit seinem besten Freund, dem Pfarrer einer völlig abgelegenen Landgemeinde, auf den Weg. Auf dieser Reise kam Ingelevs Vater ums Leben, damals wurde ein Unfall als Ursache für seinen Sturz in eine 16 Meter tiefe Schlucht angenommen, Magnus und mit ihm Ingelev bezweifelt das heute. Wer ist jetzt im Besitz des Rings, und ist derjenige auch der Mörder von Ansgar und damals von Ingelevs Vater?

Es gibt einige Rätsel zu lösen in diesem Hörbuch, aber dies nicht auf eine altmodische oder altbackene Art des Detektivromans aus früherer Zeit. Es passiert immer wieder etwas Neues, auch Eindrücke aus der einsamen Landschaft Islands kommen auch im Hörbuch zur Geltung. Zusätzlich gibt es eine zweite Handlungsebene, und die hat mit dem Grund für Magnus´ Aufenthalt in Island zu tun: Die Gangster kommen auf seine Spur, und ein Latino-Killer macht sich auf die Reise nach Island.

Zugegebenermaßen war ich zu Beginn etwas skeptisch. Mysterien sind nicht so mein Fall, und gute Krimis, die auf Island spielen, gibt es von dort lebenden Autoren wie Arnaldur Arnaldur Indriðason oder Viktor Arnar Ingólfsson, bei denen kommt das Flair und der isländische Nationalcharakter gut heraus, wenn das nun ein Engländer versucht, kann das überzeugen? Doch, ist jetzt meine Antwort, größtenteils zumindest. Das (Hör-)Buch ist spannend und unterhaltsam, das alleine reicht völlig für eine Empfehlung! Dass es auch mögliche Kritikpunkte geben mag, muss ja deshalb nicht verschwiegen werden, dass vielleicht nicht alle Fäden der Handlung plausibel aufgelöst werden, das auch das Persönliche, wie zum Beispiel das überhaupt nicht entspannte Verhältnis des Helden Magnus zu seinem isländischen Vorgesetzten Baldur mir nicht ausreichend motiviert zu sein schien, das spielt bei einer Gesamtwertung als: „Klare Empfehlung!“ keine große Rolle mehr.

Das Buch wird gelesen von Stephan Benson. Der hat eine sehr angenehme Stimme, wie ich finde, und er liest mit der erforderlichen Empathie. Dass er darüber hinaus auch die isländisch korrekte Aussprache, vor allem der Vornamen, zu beherrschen scheint, ist ein weiteres Plus. Also, Hut ab! Gute Lesung.

Insgesamt hat mir dieses Hörbuch viel Freude gemacht, und über geringe Einwände komme ich leicht hinweg. Deshalb ist dieser Island-Krimi des Engländers Michael Ridpath eine gute Wahl.

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