Schweiz 2009 Salis Verlag, 2013, Europa Verlag Zürich
Ein Krimi aus einer sehr ungewöhnlichen Perspektive: der „Held“, Kriminalkommissar Varga, ein Exil-Ungar, liegt im Koma. Doch ist er nicht bewusstlos, ganz im Gegenteil. Er hat das Locked-In-Syndrom, d. h. seine Gehirnfunktionen sind intakt, doch er kann nicht hören, fühlen, sehen, sich bewegen. Eine grauenhafte Vorstellung. Er sieht dem Tod entgegen, doch er kann noch nicht nachgeben. Zuerst will er noch herausfinden, wer ihn ermordet hat. So geht er gedanklich seinen letzten Fall durch, er verfolgt die Ereignisse Schritt für Schritt, um zu sehen, wo ihm ein Fehler unterlaufen ist. Was hat er übersehen?
Es fing wie eine Routineangelegenheit an. Marko Kistler, aufstrebender junger rechter Politiker, der überraschend einen Abgang aus der Politik gemacht hatte, wird tot in seinem Auto aufgefunden. Varga und seine Kollegin Nowak verfolgen seine letzten Aktivitäten. Die Spur führt sie nach Havanna. Aber warum musste Kistler sterben: war er der kubanischen Regierung auf die Zehen getreten, hatte er eine Affäre mit der Tochter eines mächtigen Mannes, dem das nicht gefiel? Oder ging es um dunkle Geschäfte?
Der Roman läuft gleichzeitig auf drei Ebenen: die eigentliche Ermittlung wird immer wieder unterbrochen von den Gedanken des Kommissars. Er erinnert sich an seine Jugend und an die Flucht nach dem Niederschlag der ungarischen Freiheitsbewegung durch die Russen 1956. Er ging damals in die Schweiz, die aber nur Kinder und Jugendliche aufnahm, seinen Vater verschlug es in die USA. Doch Varga ist bis heute kein echter Eidgenosse, er ist und bleibt im Herzen Ungar. Aber diese Jugenderinnerungen, die immer wieder aufblitzen und ein wunderbares Ungarn zeigen, werden durchbrochen von Todesangst, durch wilde Fantasien, die sich mit Erinnerungen vermischen und letztlich sogar durch Gespräche mit dem Sensenmann. Varga kämpft um jede Minute Leben, er will den Fall unbedingt lösen. Schließlich geht es ihn am meisten an.
Eine wirklich spannende Situation. Sehr gut geschrieben, man muss ganz schön aufpassen, dass man die Handlungsstränge nicht durcheinander bringt. Einige Male habe ich einen Absatz gelesen, ohne zu merken, dass wieder ein Sprung in die Vergangenheit stattgefunden hatte. Erst als die Donau plötzlich durch Zürich floss, habe ich es gemerkt. So etwas passiert dem Leser immer mal wieder. Dann muss man noch mal zurückgehen. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Man kann sich gut in Varga versetzen. Ich hätte ihm ein bisschen mehr Glück im Leben gewünscht.