Viktor Arnar Ingolfsson: Haus ohne Spuren

Hörbuch
OT: Engin Spor, Island 1998, Buchausgabe in D zuerst 2007
Hörbuch Verlag Hamburg, 2009
gelesen von Dieter Wunder (gekürzte Lesung)
4 CDs

In einer Villa in Reykjavík findet die alte Haushälterin den einzigen Bewohner erschossen in der Eingangshalle vor. Am Tatort wird keine Waffe gefunden. Halldur, Leiter der Sonderkommission für Gewaltverbrechen, beginnt mit den Ermittlungen. Zunächst müssen Spuren gesichert werden, und die Geschichte der Villa und ihrer – auch früheren – Bewohner wird erforscht. Dabei stellt sich heraus, dass der Vater des aktuellen Toten, der Ingenieur Jacob Kieler sen., auf dieselbe Art wie der jüngere Jacob Kieler sein Leben verloren hat: Auch er wurde erschossen in der Villa aufgefunden, auch bei seinem Tod viele Jahre zuvor wurde keine Waffe gefunden. Jakob Kieler der Ältere war als Ingenieur erfolgreich gewesen, und er hatte die fixe Idee, dass Island ein Eisenbahnnetz erhalten solle.

Um dies zu verwirklichen, knüpfte er in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg Kontakte zu Nazideutschland, es wurde tatsächlich eine Gesellschaft gegründet, die zwei Lokomotiven und eine Schiffsladung Eisenbahnschienen für eine Teststrecke nach Island schaffen sollte. Alles musste geheim gehalten werden, denn es war politisch nicht opportun. Nach dem Krieg ging der alte Kieler dann auch mit seiner Idee pleite, sie war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

Was hier so knapp berichtet wird, kommt durch die Ermittlungen erst allmählich ans Licht. Nach Art der älteren, zum Beispiel englischen Kriminalliteratur wird geruhsam ermittelt, Zeugen befragt usw., und ganz allmählich schält sich ein Bild der Lage heraus. Dabei werden die unterschiedlichen Charaktere des Ermittlungsteams deutlich. Eindeutig sympathisch sind Halldur, der Chef, seine sensible Kollegin Hrefna und Johann, ein in den USA ausgebildeter forensischer Spurensicherer. Den counterpart dazu bildet Egill, ein unsympathischer Hau-Drauf-Typ, der unsanft mit Verdächtigen umgeht und nicht gerade die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Die Protagonisten werden im (Hör-)Buch ebenso wie hier mit Vornamen vorgestellt, denn in Island ist die Anrede mit „Du“ und Vornamen üblich, und – leider habe ich dies noch nicht persönlich überprüfen können – sollen sogar die Telefonbücher alphabetisch nach Vornamen sortiert sein.

Matthias Kieler, der Bruder von Jakob, kam kurz vor dem gewaltsamen Tod von Jakob dem jüngeren nach Island. Er ist Musiker und lebt seit vielen Jahren in Österreich. Erst spät im Roman stellt sich heraus, dass er als Homosexueller im Nazideutschland im KZ war. Wie das mit den späteren Ereignissen zusammenhängt, wird hier nicht verraten, nur so viel: Er ist nicht der Mörder von Jakob!

Das Hörbuch bietet auf seine langsam erzählte Art einen guten Einblick in verschiedene Aspekte der isländischen Geschichte im 20. Jahrhundert und zeigt, ähnlich wie die Romane von Arnaldur Ingridason, viel von der Mentalität der Isländer, meist freundliche Leute, oft mit einer wie selbstverständlichen Zivilcourage und Unerschrockenheit gegenüber den staatlichen Autoritäten, also auch der Polizei. Dies gefällt dem Hörer, der darin gerne einen Kontrast zum deutschen Untertanengeist sehen mag.

Dieter Wunder liest das Buch genau richtig, ruhig führt er den Hörer durch die Romanhandlung. Ich habe dieses Hörbuch gerne gehört, auch wenn es sich im Mittelteil doch ein bisschen in die Länge zieht. Die Lösung des Falles erscheint außerdem doch etwas konstruiert und nicht sehr wahrscheinlich, aber das Buch ist ja schließlich kein Tatsachenbericht.

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