Christine Cazon: Stürmische Côte d’Azur

Bild von der Cote dd'azur

Copyright: audo media

audio media Verlag 2016

gelesen von Gert Heidenreich (gekürzte Lesung)

4 CDs, 306 Minuten

Das Hörbuch beginnt damit, dass wir Alice kennenlernen, eine junge Frau, die in einer verregneten, stürmischen Nacht auf einen Anruf auf ihrem Handy gewartet hat. Wir sind  auf der Insel Sainte Marguerite vor der Côte d’Azur in der Nähe von Cannes. Alice hat während der Sommersaison als Surflehrerin auf der kleinen Insel gearbeitet, sie konnte sich nach dem Ende des Sommers noch nicht von der Insel losreißen und jobbt als Kellnerin im Bistro bei Pascal, dem Wirt. Die Gedanken Alices stellen dem Hörer nach und nach die wichtigsten Personen auf der kleinen Insel vor, das ist zum Beispiel der Förster Philippe, mit dem Alice auch kurz liiert war, und das Personal der wenigen Segelschiffe, die noch vor der Insel auf Anker liegen. Das schönste Schiff ist die Zephir, ein 24-Meter großes hölzernes Boot vom Baujahr 1914, für viel Geld aufwändig restauriert. Der Skipper ist Jean-Louis Théolien, ein älterer Seemann, früher Kapitän auf einem Handelsschiff.

Mit ihm arbeiten zwei Matrosen auf dem Schiff, Pierre Lanvalle und Sébastien Frénet. – Die Szene wechselt zu Théolien, dem Skipper, der verkatert aufwacht und den vorigen Abend im Bistro vor dem geistigen Auge Revue passieren lässt, bevor er sich aufrappelt, um seine beiden Matrosen zu wecken. Doch da erweist sich als unmöglich, denn er findet Sébastien erstochen in seiner Koje. Der andere Matrose ist verschwunden.

Der Mordfall ist da, die Polizei wird gerufen, und Commissaire Léon Duval nimmt die Ermittlungen auf. Bei der Überfahrt mit der Fähre wird ihm erst einmal schlecht, und weil es nach wie vor stürmt, verspürt er wenig Lust, direkt auf das Schiff zu gehen, wo der Ermordete liegt. Dies wird er später noch bereuen, aber Duval schickt sein Team voraus und geht erst einmal ins Bistro, um dort die Leute zu vernehmen. Nach und nach erfährt man, wie die Verhältnisse auf der Insel Sainte Marguerite liegen, wer mit wem zu tun hatte, wer von den Männern wann in Alice verliebt war, mit ihr etwas hatte oder sich nur Hoffnungen machte. Ihre letzte Liebe ist der ermordete Sébastien gewesen, auf ihn hatte sie in der Nacht gewartet – zuvor war es nur zu ein paar Küssen gekommen, sie hatten sich gerade erst kennengelernt. Wie man erst später erfährt, hatte sich Alice Hals über Kopf in den jungen Matrosen verliebt und wollte mit ihm verschwinden, um ein Segelschiff in die Karibik zu überführen. Dass dahinter auch noch Drogengeschäfte standen, wird erst viel später klar, und auch Alice, die insgesamt zwar sympathisch, aber doch reichlich naiv erscheint, wusste davon nichts.

Doch zurück zu den Mordermittlungen: Das Unwetter dauert an, und nachdem Duvals Leute mit der Leiche noch die Insel verlassen konnten, wird die Fährverbindung eingestellt, und der Kommissar muss auf der Insel übernachten, niemand kommt von dort weg, genauso wie niemand zur Insel fahren kann. Dadurch entsteht eine Situation, die in gewisser Weise dem „closed room“-Prinzip im klassischen Krimi ähnelt: Eine begrenzte Anzahl Leute sind es, die für eine Tat in Frage kommen, keiner von ihnen kann weg, und niemand kann hinzukommen. Da ist die Frage, wer kann wem ein Alibi geben, wer lügt, welche Beziehungen hatten diese Leute zueinander? Zunächst erscheint völlig unklar, wer von dem Mord an dem Matrosen profitiert haben könnte, und wenn schon kein Motiv da zu sein scheint, dann ist es doch naheliegend, dass der zweite Matrose, der verschwunden ist, etwas mit dem Tod des ersten zu tun haben könnte. Doch als dieser am zweiten Tag auch tot aufgefunden wird, wieder vom Skipper Théolien, da scheidet diese Möglichkeit aus.

Nun muss aber langsam ein mögliches Motiv her – dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Schiffstresor ausgeraubt wurde, neben der Bordkasse ist auch ein hoher Betrag gestohlen worden, der Skipper hatte   vom Schiffseigner gerade sein Jahresgehalt in bar erhalten, es sollte alles schwarz über die Bühne gehen. „Folge dem Geld!“ ist bekanntlich eine gute Maxime bei der Aufklärung von Kriminalfällen, und das gilt auch hier, nun kommt endlich Schwung in die Sache: Wo ist das Geld? Wer hat es genommen? Was sind die Zusammenhänge?

An diesem (Hör-)Buch sieht man, dass der gute alte Kriminalroman mit einem sympathischen Ermittler, einer Anzahl Verdächtiger, einer letzten Endes plausiblen Auflösung des Rätsels, auch wenn man nicht allen Wendungen folgen mag, noch nicht ausgestorben ist. Mir hat dieses Hörbuch gut gefallen. Die Schilderung der Personen ist gelungen, das Lokalkolorit ist gut getroffen, man kann sich in die kleine Inselwelt im stürmischen Herbst gut hineinversetzen. Zum Commissaire Léon Duval hätte ich mir noch etwas mehr Hintergrund gewünscht. Als Hörer dieses Buches erfährt man, dass er mittleren Alters ist, geschieden, zwei Kinder, es gibt auch eine Freundin, aber er bleibt doch blass und seltsam unbestimmt.

In den letzten Jahren sind ja eine Reihe von Krimis erschienen, die im ländlichen Frankreich spielen, zum Beispiel die Bretagne-Reihe von Jean-Luc Bannalec oder die Krimis von Martin Walker, die in der Dordogne spielen. Dazu passt dieser Kriminalroman gut. Man erfährt etwas über Land und Leute und wird durch die story gut unterhalten. Mir ist das allemal sympathischer als der x-te Serienkiller mit einem oft an den Haaren herbeigezogenen Plot.

Das Hörbuch wird gelesen von Gerd Heidenreich. Mit seiner angenehmen, tiefen Stimme mit dem gewissen Timbre schafft es der Sprecher, die Stimmung gut einzufangen und den Hörer damit bei Laune zu halten. Dass gerade gute und professionelle Vorleser ihre Kunst für meinen Geschmack manchmal übertreiben, wenn sie die Stimmen der jeweiligen Figuren imitieren, statt einfach nur gut vorzulesen, ist vielleicht Ansichtssache, ich empfinde es zumindest manchmal so. Das tut aber der Qualität der Lesung insgesamt keinen Abbruch, Gerd Heidenreich ist einer der besten Hörbuchsprecher zur Zeit.

Insgesamt eine klare Empfehlung für dieses Hörbuch – wenn man nicht zu viel Spannung und action erwartet.

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