Donna Leon: Das Mädchen seiner Träume

Commissario Brunettis 17. Fall
OT: The Girl of His Dreams, CH 2009, D 2009, Diogenes Verlag

“Das Mädchen seiner Träume” ist nicht etwa ein Schwarm des absolute treuen Commissarios Brunett, sondern ein totes 11-jähriges Mädchen, das ihn sogar bis in den Schlaf verfolgt. Sie wurde ertrunken aus einem der Kanäle gefischt, mit Diebesgut am – und im – Körper. Die Ermittlungen führen Brunetti in eine völlig andere Welt, die der Roma, die als Ausgestoßene außerhalb von Venedig leben. Dort findet er Menschen vor, deren Lebensweise ihm völlig fremd ist. Der Vater scheint sich nicht sehr für seine tote Tochter zu interessieren, die verzweifelte Mutter darf nicht mit ihm sprechen.

Die Kleine war in die Wohnung eines gut betuchten Ehepaars eingebrochen und dann anscheinend auf der Flucht vom Dach in den Kanal gestürzt. Doch wie war es dazu gekommen?

Die Schicksale in Donna Leons Krimis packen einen immer wieder. Man macht sich als Leserin Gedanken um Gerechtigkeit, um den Sinn von Justiz, um die Menschlichkeit. Brunetti ist selbst eigentlich schon fast zu gut, um wahr zu sein, doch kommt er einem nicht wie ein bescheuerter Moralist mit gehobenem Zeigefinger vor, ganz im Gegenteil: er ist jemand, dem das Schicksal anderer Menschen nicht egal ist und seine Überlegungen führen auch immer dazu, dass der Leser mitdenkt. Allerdings frage ich mich manchmal, was die Autorin, die ja manchmal ganz schön mit der italienischen Justiz bzw. Polizei ins Gericht geht, in ihrem eigenen Land sagen würde. Dort werden anscheinend 6-jährige in Handschellen abgeführt. Würde sie dies entschuldigen? Oder auch dort für Menschlichkeit und Verständnis sprechen?

Zusatz: Dieses Buch habe ich auch als Fernsehfilm gesehen, mit Uwe Kokisch in der Rolle des Brunetti. Da gab es, wenn ich mich recht erinnere, ein Ende, das ein wenig versöhnlicher war, vermutlich um die Sonntagsabends-Fernsehgucker nicht zu verschrecken. Uwe Kokisch finde ich in der Rolle übrigens besser als Joachim Król, der zwar ein sehr guter Schauspieler ist, nur eben nicht Brunetti. Und die beste Figur in der Serie der Leon-Verfilmungen ist Michael Degen als Vice-Questore Patta. Diese perfekt Mischung aus Arroganz, Dämlichkeit, Unterwürfigkeit gegenüber den Reichen und Mächtigen: einfach grandios.

 

Dieser Beitrag wurde unter Italien, Thriller veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.