OT: The Book of Mirrors, USA 2017, D 2018, Goldmann Verlag
Die Wahrheit des einen ist die Lüge des anderen
So einfach und vorstellbar, wie die Geschichte beginnt, so verwickelt und verwirrend wird sie im weiteren Verlauf. Der Literaturagent Peter Katz erhält den Beginn eines Romans, angeblich autobiografisch, eines Mannes namens Richard Flynn. In diesem Werk soll der Mord an einem ehemals sehr bekannten Professor für Psychologie an der Universität Princeton, Joseph Wieder, der vor 25 Jahren geschah, aufgeklärt werden. In dem Manuskript lernt Richard Flynn, damals noch Student der Anglistik, eine junge Frau kennen, Laura Baines. Laura arbeitet für den Psychologieprofessor Wieder und macht die beiden miteinander bekannt. Richard fängt mit Laura eine Liebesbeziehung an.
Er beginnt für Wieder zu arbeiten, indem er dessen umfangreiche Bibliothek erfasst. Dabei lernt er einen seltsamen Mann kennen, der als ehemaliger Patient heute so eine Art Faktotum für den Professor darstellt. Derek, so sein Name, war verdächtigt worden, seine Frau ermordet zu haben und hatte Jahre seines Lebens in der Psychiatrie verbracht.
Zunächst läuft alles gut, Richard bewundert Professor Wieder, arbeitet gern dort und ist sehr verliebt in Laura. Dann erzählt sie ihm von einem ehemaligen Liebhaber, der sich inzwischen zum Stalker entwickelt hat. Ein Gefühl von Bedrohung macht sich in ihm breit. Und dann nimmt der Albtraum seinen Lauf. Professor Wieder wird ermordet und Laura verlässt ihn. Hier bricht das Manuskript ab. Als Katz versucht, den Autor aufzutreiben, muss er feststellen, dass dieser vor kurzem gestorben ist. Hat er sein Manuskript vor seinem Tod beendet und wenn ja, wo ist es? Peter Katz beauftragt einen Detektiv damit, die Personen, die damals etwas mit Professor Wieder zu tun hatten, aufzusuchen und hoffentlich das Manuskript zu finden. Doch jeder Beteiligte erzählt eine andere Geschichte und nichts passt zusammen. Täuscht sie die eigene Erinnerung oder haben sie sich jeweils die passende Wahrheit eingeredet. Lügen sie? Wie kann man die Wahrheit herausfinden?
Die Art, wie der Thriller aufgebaut ist, erinnert mich an Akira Kusowas „Rashomon“. Auch hier wird die gleiche Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt und jede Version scheint wahr zu sein, obwohl das doch völlig unmöglich ist. Liest man den ersten Teil, die Geschichte des Richard Flynn, glaubt man ihm jedes Wort. Doch je mehr man von den anderen Protagonisten erfährt, desto mehr verliert man die Wahrheit. Wer lügt und warum? Wer hat den Professor wirklich ermordet? Und was war der Grund dafür? Je logischer die eine Seite erscheint, desto mehr verzerrt sich der Blick auf die andere. Es kommt einem tatsächlich vor, wie der Blick in mehrere Spiegel oder eher noch der Blick in ein Kaleidoskop.
Gut geschrieben, am Anfang direkt literarisch (leider nicht mehr im weiteren Verlauf), ist der Roman sehr unterhaltsam. Die Sichtweise des Lesers, der ja immer mitdenkt, wird mehrfach durch überraschende Wendungen immer wieder geändert. Nach einer Weile gibt man als Leser den Versuch auf, vor dem Ende des Buches die Lösung zu finden. Zu verwirrend sind die verschiedenen Aspekte der Story. Wirklich empfehlenswert.